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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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fürchten mußt.«

 
     

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52
     

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    Wu Lins Zimmer, in einem Kaderschlafgebäude ein paar Blocks
südlich des Hauses des Gouverneurs, war ebenso klein und
kärglich möbliert wie Lees Zimmer im Danwei von
Bitterwasser – und wie in seinem Zimmer war eine ganze Wand von
Wu Lins Zimmer mit Stilleben vom ›King of the Cats‹
bedeckt, die nach überlebenden Fragmenten seiner Filme gedruckt
worden waren.
    Lee berührte das größte, das den King in starrem
Technicolor zeigte, wie er mit dem Daumen die Gitarre schlug und an
irgendeinem verlorengegangenen Strand der Alte Erde Anne Helm zusang.
»Ich mag mich irren, aber ist dies aus Follow That
Dream?«
    Wu Lin war damit beschäftigt, auf der kleinen Kochplatte des
Zimmers Tee zu kochen. »Ich habe an deinem Haar erkannt,
daß du ein Fan des ›King of the Cats‹ bist.«
    »Hoffst du, ich kann die Sprachrohr-des-Volkes-Armee ebenso
schlagen, wie der King die Falschspieler geschlagen hat?«
    »Du bist bereits eine Art Sheriff, scheint es. Bitte, du
mußt mir erklären, woher du von mir weißt, Wei Lee.
Wir könnten uns nie mehr wiedersehen.«
    Lee nahm die Tasse Tee, die sie ihm hinhielt. Sie saßen
Seite an Seite auf der Kante ihres kleinen harten Betts. Er sagte:
»Ich glaube schon. Weil wir von gleicher Art sind.«
    Sie verstand es nicht. Lee legte seine linke Hand über die
ihre. Er sagte: »Als Kind habe ich oft das Große Haus
besucht, wo du gelebt hast. Es ist in den Bergen gewesen, oberhalb
von Xin Beijing. Es war weitaus größer, als wir beide
geglaubt haben. Ich kannte lediglich einige Höfe, einige der
Gebäude.«
    Wu Lin begegnete seinem Blick. »Einmal bin ich auf das Dach
der Südlichen Blumenhalle gestiegen. Dort war mein Schlafzimmer.
Ich bin eine Weinranke hinaufgeklettert, die an meinem Fenster wuchs.
Meine Ayah, mein Kindermädchen, mußte nach den
Gärtner schicken, um mich herunterzuholen. Aber ich habe die
Mauern gesehen, weit in der Ferne. Damals habe ich geglaubt, es
wären die Stadtmauern. Ich habe die Stadt erst gesehen, als ich
zehn Jahre alt war und hierhergeschickt worden bin.«
    »Ich habe einen eigentümlichen Fingernagel«, sagte
Lee. »Am Zeigefinger. Er splittert stets in zwei Teile, wenn er
über das Fleisch darunter hinauswächst. Das habe ich bei
dir gesehen. Da habe ich es gewußt. Er hat Geschlecht und
Gesicht verändert, und er hat vielleicht Fingerabdrücke und
Retinamuster ebenfalls verändert, aber er hat nicht die kleinen
Dinge verändert, die unwichtigen Ein-Gen-Produkte.«
    »Ich habe stets geglaubt, ich wäre die einzige«,
sagte Wu Lin. »Ich habe nicht verstanden, warum ich
hierhergeschickt worden bin. Ich habe geglaubt, ich hätte etwas
falsch gemacht…«
    Ihr Griff war stark. Lee erwiderte ihn. »Ich hatte dieselben
Überlegungen. Es gibt andere, dessen bin ich mir sicher.
Köder, hat Urgroßvater Wei gesagt, aber er hat die Natur
unserer Konzeption nicht verstanden. Ich verstehe sie selbst noch
nicht völlig.«
    »Sag mir, was du weißt«, sagte Wu Lin mit einer
jähen Heftigkeit, die Lee überraschte. Als er damit fertig
war, ihr zu erzählen, was ihm Miriam Makepeace Mbele
erzählt hatte, sagte sie: »Es hätte mir zustoßen
können. Nicht dir, sondern mir!«
    Lee sagte: »Statt dessen hast du die Befreiung von Ichun
organisiert. Vielleicht wirst du glücklicher sein als ich, auf
lange Sicht gesehen. Wir müssen deine Beute verteidigen, ehe wir
anfangen können, das zu erfahren.« Er zögerte und
sagte dann: »Es besteht eine Möglichkeit, wie du mein
Schicksal teilen kannst«, und erklärte alles über die
alleskönnenden Fulleren-Viren und was sie mit ihm angestellt
hatten.
    »Und du kannst mich infizieren, einfach so, wie dich die
Anarchistin infiziert hat?«
    »Ja. Aber es ist eine schwere Last, Wu Lin.«
    »Aber es ist unsere Last, nicht wahr? Dafür sind wir
geboren worden.«
    Also küßte Lee sie tief, und es war geschehen.

 
     

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53
     

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    Der Korporal kam gerade nach Einbruch der Dämmerung zu Lee.
Er war ein höflicher Mann, und er klopfte an die Tür und
rief leise Lees Namen, bis Lee antwortete. Lee hatte auf Wu Lings
Bodenmatte geschlafen; als er die Steife aus seinen Gliedmaßen
herausarbeitete, überkam es ihn, daß er, seitdem er
Bitterwasser verlassen hatte, in keinem Bett mehr geschlafen hatte.
Als er sich das Haar kämmte, rührte sich Wu Lin auf ihrem
Bett, saß dann jäh aufrecht, die Hände fest über
die Augen gedrückt.
    »Überall, wohin ich schaue, sind

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