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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Bevölkerung
gestohlen worden sind«, sagte ein anderes Komiteemitglied.
    »Die Zehntausend Jahre klammern sich an die Rücken der
Hundert Familien«, sagte ein weiteres.
    Lee sagte: »Ich sehe, daß das Feiern euch wichtiger
scheint als der Sieg.«
    »Was das betrifft«, erwiderte der große Student,
»der Kapitän der Garnison erwartet, daß du es bequem
hast. Wir haben alle Waffen und alle Kommunikationssysteme in
Sicherheit gebracht.«
    Lee verhehlte seinen Ärger nicht. »Ich nehme an, ihr
meint, ihr habt die Soldaten hinter Schloß und Riegel gebracht.
Und was werdet ihr tun, wenn die Sprachrohr-des-Volkes-Armee vor
euren Toren erscheint?«
    Der große Student blinzelte betroffen.
    Hinter ihm starrte eine junge Frau Lee an. Einen Augenblick lang
glaubte Lee, daß eine weitere von Miriams Schwestern ihn
gefunden hätte. Aber die junge Frau hatte glattes schwarzes
Haar, das ein Gesicht in der Farbe von Buttermilch umrahmte. Ihre
mandelförmigen Augen waren so schwarz wie die von Lee. Sie
begegnete kühl seinem starrenden Blick und sagte: »Du
brauchst nicht zu glauben, daß wir an diese Dinge nicht gedacht
haben.«
    »Laß ihn reden«, sagte jemand anderer.
    Lee sagte: »Ich möchte euch nicht auf meinem Gewissen
haben, also muß ich offen sprechen. Ich kann euch zwei
Möglichkeiten bieten. Ihr mögt hierbleiben und
kämpfen, oder ihr mögt fliehen. Beides ist gefährlich,
aber das muß euch klargeworden sein, als ihr gehandelt habt.
– Nein? – Zu schlimm. Wenn ihr nicht wählt, werdet ihr
alle innerhalb kürzester Zeit tot sein. Die
Sprachrohr-des-Volkes-Armee hat ihren Angriff auf euch begonnen,
sobald die Kommunikationssysteme abgeschnitten wurden, und
sicherlich, sobald die Hebewerke zu arbeiten aufgehört haben.
Schließlich haben die Gleiter Sender. Habt ihr die
konfisziert?«
    »Die Gleitermannschaften stehen auf unserer Seite«,
sagte der große Student.
    »Sowas würde jeder Gleiterkapitän sagen, wenn er
dem Mob gegenüberstünde. Wo sind die Soldaten der Garnison?
Nicht die Offiziere, sondern die gemeinen Soldaten. Ich muß mit
ihnen sprechen.«
    Glücklicherweise hatte zumindest einer der Revolutionäre
etwas Vernunft gewahrt. Die gemeinen Soldaten waren in einer
Lagerhalle eingeschlossen, jedoch nicht mißhandelt worden. Es
waren sechzig. Sie standen in Rührt-Euch-Position mitten auf der
Hauptstraße vor dem Tor zum Haus des Gouverneurs, sahen aus,
als fühlten sie sich in ihrer Haut nicht wohl, und wurden mit
eindringlicher Neugier von einer doppelt so großen Anzahl
Stadtbewohner in Karnevalsverkleidung beobachtet.
    Lee erklärte den Soldaten, daß sie eine Wahl
hätten. Sie würden freigelassen und aus der Stadt
verwiesen, oder sie könnten bleiben und kämpfen. Sie
hätten zehn Minuten, um darüber nachzudenken.
    Es benötigte nur fünf. Ihr Sprecher, ein
vierschrötiger, kräftig gebauter Korporal, wurde
vorgestoßen. »Wir kämpfen«, sagte er.
    Lee gestattete sich einen Moment, die Überraschung des
Komitees zu genießen. Er verneigte sich vor dem Korporal,
dankte ihm für seine Hilfsbereitschaft und schlug vor, daß
er mit seiner Schar Männer zum Haus des Gouverneurs gehen und an
Essen und Trinken mitnehmen solle, was sie benötigten. Bis dahin
würden ihnen ihre Waffen zurückgegeben.
    Nachdem der Korporal gegangen war, sagte der große Student:
»Sehr noble Haltung. Aber wenn wir ihnen die Waffen
zurückgeben, werden sie auf uns schießen.«
    »Das werden sie nicht tun. Der Korporal ist gewitzter als du.
Er weiß, daß er, wenn er versuchte, sich wieder der
Sprachrohr-des-Volkes-Armee anzuschließen, ab Deserteur
erschossen würde, ebenso wie alle seine Männer. Niemand in
der Sprachrohr-des-Volkes-Armee könnte ihnen gestatten, am Leben
zu bleiben, weil das hieße zuzugeben, daß sie sich in
Ichun kampflos ergeben hätten. Daher werden der Korporal und
seine Männer auf eurer Seite kämpfen, denn es besteht eine
schmale Siegeschance. Wenn er zurückkehrt, möchte ich,
daß du uns mit auf einen Stadtrundgang begleitest. Er wird alle
Verteidigungsstellungen kennen.«
    Es war später Nachmittag, ehe der Korporal damit fertig war,
Lee zu zeigen, wie man Ichun verteidigen mußte. Inzwischen war
das Komitee ans Werk gesetzt worden, jene Bürger
zusammenzutrommeln, die genügend nüchtern geblieben waren,
um rund um die Stadtgrenze Gräben auszuheben und Stolperdraht
auszulegen. Nach Lees Ansicht waren solche Verteidigungsanlagen nur
so lange nützlich, bis die Angreifer einen Weg um sie

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