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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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die
Hitze tiefer getragen, mehr und mehr Permafrost-Wasser
losgelöst, mehr und mehr Staub befreit. Drei Jahrzehnte lang war
im Sommer schlammiger Regen auf die Welt herabgefallen, und
Staubstürme hatten im Winter den größten Teil davon
eingehüllt. Die tibetischen Kolonisten hatten die Klimaumkehrung
in Zitadellen unter dem Boden überdauert; viele der Yankees
waren ausgelöscht, ihre zerbrechlichen, von Technologie
abhängigen Siedlungen vom Wetter überwältigt worden.
Als die Umkehrung beendet war, war ein großer Teil des Staubs
neu verteilt worden, aber verräterische Senken mit
halbschlammigem Staub waren an gewissen Stellen verblieben, Hunderte
von Metern tief und nutzlos.
    Bis Cho Jinfeng eine ökologische Rolle dafür gefunden
hatte.
    Sie hatte Stränge von Phytoplankton entwickelt, die in dem
Staub gediehen. Genverschmolzen aus Kieselalgen und
Wurzelfüßern hatten die mikroskopischen Pflanzen dichte
Silizium-Ventile mit Strängen wasserhungrigen Cytoplasmas
durchdrungen, das sich in langen Stacheln in den Staub hinein
erstreckte. Sie sammelten jedes Wassermolekül, auf das sie
trafen, selbst solche, die chemisch an die Oberfläche der
Staubkörner gebunden waren. Die Marschländer hatten sich
verflüssigt: die Flüssigkeit war nicht Wasser, sondern
freier Staub, so fein zerteilt, daß den Körnchen jede
kristalline Struktur fehlte.
    Im frühen Stadium der Terraformung waren große Mengen
Sauerstoffs von dem Phytoplankton freigesetzt worden, das durch den
mikroklimatischen Dunst an der Oberfläche der Staubmeere vor dem
tödlichen Ultraviolett geschützt worden war. Die Staubmeere
hatten Stabilität erreicht. Wasser, das von der konvektiven
Schmelze des Permafrosts am Grund der Meere freigesetzt worden war,
wurde durch Phytoplankton in die Biosphäre eingebunden.
Ausgebrachtes Zooplankton verschlang das Phytoplankton, und die
ausgedehnten Schwärme dieser winzigen Tiere wurden ihrerseits
von gepanzerten Staubrochen verschlungen, die auf riesigen zähen
Membranen, versponnen aus Kohlefasern, über die Oberfläche
des Staubs glitten. Und sterbendes Phytoplankton, Zooplankton und
sterbende Rochen sanken in den tiefen Staub, um den großen
Kreislauf wieder zu ergänzen.
    Menschen hatten Handelsrouten über die großen
Trockenmeere angelegt, die regelmäßig von Wind und von
Statik getriebenen Staubgleitern befahren wurden.
    Und jetzt, unter dem tiefen Baldachin von Sternen, bewegte sich
eine kleine Gig über die Oberfläche des trockenen roten
Meers der Ebene des Himmels hin zu den Riffen des Tigerbergs.

 
     

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58
     

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    Der Computer weckte Lee bei Einbruch der Dämmerung. »Wir
haben ein Problem, Herr«, sagte er. Als Lee nachfragte, was er
meinte, zeigte er ihm eine heckwärts gerichtete Aussicht, zoomte
einen silbrigen Fleck heran, der am Horizont des roten Staubmeers
leuchtete. Es war eine weitere Gig, deren Segel das erste Sonnenlicht
einfing.
    »Wer ist das?«
    »Der Transponder identifiziert es als eine Gig vom Gleiter Die Dame der Goldenen Insel. Wir werden ihr nicht entkommen
können. Es ist ein kleineres Fahrzeug mit einer
größeren Segelfläche.«
    »Warum sollten wir davonlaufen wollen? Kann ich mit ihr
reden? Ich meine, mit ihrer Besatzung.«
    »Ihren Passagieren«, sagte der Computer.
    »Was auch immer. Versuch’s einfach.«
    Minuten verstrichen. Lee sah zu, wie die andere Gig unmerklich
größer wurde.
    Der Computer sagte: »Niemand antwortet. Dennoch kann ich dir
etwas sagen.«
    »Nur zu.«
    »Es sind zwei Menschen an Bord.«
    »Ich sollte dich wohl fragen, woher du das
weißt.«
    »Weil ich den Computer gefragt habe. Er ist nicht so clever
wie ich.«
    »Selbstgefälligkeit ist keine Tugend.«
    »Es ist die schlichte Wahrheit. Ich habe die
Alarm-Unterprogramme gefunden. Soll ich sie benutzen? Da ist eine
beeindruckende Sirene.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann das wohl als eine Bestätigung nehmen.
    Ah. Jetzt weiß ich, daß sie wach sind, weil jemand die
Sirene abgeschaltet hat. Ich bekomme Stimmen herein, keine Bilder.
Ich überlasse es dir, Herr, damit umzugehen. Ich verstehe einige
der Worte nicht.«
    Ein Stimme ertönte mitten aus der Luft. Es war Redd.
    »Wer, zum Teufel, hat die ganzen Glocken und Pfeifen
eingeschaltet?«
    Und Chen Yao fragte: »Wei Lee? Hast du das getan?«

 
     

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59
     

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    Gegen Mittag holte die Gig, welche Chen Yao und Redd trug, Lees
Gig ein, und sie kletterten hinüber, um ihn zu
begrüßen. Redd grinste wie ein Verrückter

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