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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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nicht zu zeigen.
    Lee schaltete alle Lichter an und begann, eine Warnung zu senden.
Das Eiland war ein zerrissener Schatten, eine Silhouette gegen den
sternklaren Himmel; dann türmte er sich über die Gig.
    Man hörte das Geräusch brechender Zweige. Die Gig
gierte, und alle drei Passagiere wurden von einer Seite des Cockpits
zur anderen geworfen.
    Lee hob sich auf Hände und Zehen, als das Knistern eines
blauen Blitzlichts zu beiden Seiten der Kabinenhaube der Gig
erfolgte: etwas hatte die Staubbrecher entladen. Die Gig fiel herab.
Ihr Kiel schlug in den Staub. Lee wurde wieder zu Boden geworfen, und
diesmal biß er sich auf die Zunge.
    Der Computer kreischte noch immer hysterisch, wechselte zwischen
unregelmäßigen Wutausbrüchen und Reihen falscher
Codes. Lee spie ein Mundvoll Blut aus und hieß ihn
schweigen.
    »Aber man hat uns sabotiert! Wir werden angegriffen!
Wir…«
    »Ruhe!« Sein Befehl wurde durch eine Blase aus Speichel
und Blut abgemildert, aber der Computer hielt den Mund.
    Die Gig ächzte und schaukelte, kippte mit einem leisen
verzerrten Geräusch zur Seite. Redd saß mit gespreizten
Beinen auf dem Deck des Cockpits, den Rücken gegen das Sofa
gedrückt. Er hatte die Pistole gezogen und hielt sie bereit.
Etwas klapperte gegen die Kabinenhaube, und Lee ging, ohne
nachzudenken, in den Hypermodus. Im Infrarot erhaschte er Blicke auf
verschmierte grüne menschliche Gestalten draußen, und dann
gab es einen intensiven Lichtpunkt, und die unter Überdruck
stehende Luft des Cockpits zischte durch das Loch, welches das Licht
gemacht hatte, nach draußen. Etwas fiel hindurch und zerbrach
auf dem Deck des Cockpits. Es gab einen übelkeitserregenden
süßen Geruch, wie vermodernde Vergißmeinnicht.
    Chen Yao schlug aufs Deck. Redd sackte nach vorn zusammen und
ließ die Pistole fallen. Lee war auf halbem Weg in seine
Filtermaske, als ihn das Zeug überwältigte.

 
     

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62
     

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    Lee wurde von einem Singsang geweckt. Er hatte einen fauligen
Geschmack im Mund und fürchterliche Kopfschmerzen. Er war mit
einem breiten Lederband, das ihm die Arme an den Seiten festhielt, an
einen Pfahl gefesselt. Chen Yao war an einen weiteren Pfahl rechts
von ihm gefesselt, Redd links von ihm. Redds Kopf rollte haltlos hin
und her. Chen Yao sagte hitzig: »Unternimm etwas, Wei
Lee!«
    Sie waren in einer Kammer mit Gewölben. Ihre hohe Decke wurde
von etwas gestützt, das aussah wie die gebogenen Knorpelrippen
irgendeines großen Tiers. Schmale Scharten gestatteten roten
Lichtkeilen das Eindringen. Zu beiden Seiten bevölkerten
Menschen rangartig in die Höhe steigende Balken. Sie waren
allesamt nackt und hatten alle die Gesichter monströser Tiere.
Ihre Körper waren von wirbelnden Mustern bedeckt, die
kränklich gelbgrün glühten.
    Als sie sahen, daß Lee wach war, riefen sie ein einziges
Yankee-Wort.
    »Klassifikation!«
    Ein Dutzend alter Männer und Frauen schlurfte nach vorn. Sie
trugen stoppelige Masken und seltsame rechteckige flache Hüte
und waren eingehüllt in zerrissene Mäntel, die mit den
Fellen von Eismäusen geschmückt waren: Dutzende winziger
Köpfe hingen von Krägen und Ärmeln herab, die Augen
waren durch pechschwarze Perlen ersetzt, die in dem Fackellicht
glitzerten, als wären sie ins Leben zurückgerufen worden.
Die alten Leute führten knöcherne Greifzirkel mit sich, mit
denen sie die Köpfe der drei Gefangenen von Ohr zu Ohr und vom
Kinn zum Scheitel einklemmten.
    »Sterilisation!« brüllten die Menschen.
    Ein alter Mann schlitzte die Spitze von Lees rechtem Daumen auf,
wischte mit einem Stück Tuch über den blutenden Schnitt und
warf es in eine Schüssel mit einer rauchenden Flüssigkeit.
Ein weiterer alter Mann stach Lee eine stumpfe Spritze in die
Schulter und injizierte etwas, das sich unter der Haut anfühlte
wie ein Liter salzigen Bilgenwassers. Aus Chen Yaos empörten
Ausrufen schloß Lee, daß ihr das gleiche angetan
wurde.
    »Mutation!«
    Eine alte Frau wankte vor. Sie war von Hals bis zu den
Knöcheln in Schichten eines filmigen schwarzen Stoffs
eingehüllt, und ein hoher konischer Hut saß auf ihrer
skrofulösen Kopfhaut. Sie grinste Lee zahnlos an und schob ihm
etwas Kleines, Hartes und Stacheliges in den Mund. Es war ein
Computer-Chip. Seine Kanten schnitten Lee in die Lippen, und er spie
ihn zusammen mit einem Mundvoll Blut aus.
    Die alte Hexe nahm den Chip wieder an sich und versuchte, Chen Yao
dazu zu bringen, ihn zu verschlucken, aber dem kleinen Mädchen
gelang

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