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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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erklären?«
    »Oh, natürlich weiß ich vom Glücksspiel. Was
den Ort betrifft, so habe ich ihn in Viva Las Vegas gesehen.«
    Miriam lächelte. »Du mußt eine seltsame Sicht vom
Ehemaligen Amerika der Alten Zeit haben. Aber in Vegas gab es auch
andere Arten von Unterhaltung, Neben-Shows für die Hauptshow,
die darin bestand, soviel Geld wie möglich zu verlieren und
währenddessen soviel Elektrizität wie möglich zu
benutzen. Der King war eine der Neben-Shows. Meine Eltern waren
große Fans, also haben sie mich mitgenommen, obgleich ich lediglich an den Slots herumhängen und die Jungens begucken
wollte. Oh, dies ist so seltsam, sich zu erinnern! Der King war so
was wie feist, dachten wir damals alle, Leute meines Alters, er hatte
sich überlebt, er trug weißes Leder und Rheinkiesel,
wischte sich den Schweiß mit weißen Halstüchern und
warf sie ins Publikum, während er diese schrecklichen Balladen
mit diesen fürchterlichen pseudo-langhaarigen, miserablen
Musikern im Hintergrund sang. Dies war in den frühen Siebzigern,
als ich etwa dreizehn war. Ich stand auf den Doors, Cream,
Edgar Winter’s White Trash. Das einzige, woran ich mich wirklich
von der Show erinnere, war ›America Trilogy‹. Kennst du
diesen Song?«
    Verschiedene Dinge waren Lee durch den Kopf gegangen. Doch alles,
was er sagte, war: »Natürlich. Ich habe eine Aufnahme von
seinem Konzert; es ist alles, das von Elvis on Tour geblieben
ist. Ich meine, ich hatte eine.« Sie lag noch immer dort in
seinem kleinen Zimmer im Danwei von Bitterwasser, zusammen mit
allen seinen Aufnahmen und seiner Gitarre. Er hoffte, daß
Guoquiang sie jetzt hätte, oder Xiao Bing – wenn sie noch
lebten.
    Miriam wollte den King hören, und Lee gab ihr das Radio. Sie
hörte einen Augenblick lang zu, zuckte die Achseln und reichte
es zurück. »Es ist nicht der echte King«, sagte sie,
»aber ich schätze, du weißt das. Denn zum einen hat
der wirkliche ›King of the Cats‹ nicht die Umgangssprache
gesprochen. Oder es ist neu für mich, daß er’s getan
hat. Und es hat niemals irgendwelchen Blues in der
Umgangssprache gegeben, das garantiere ich.«
    Lee lächelte, wieder nervös. »Der ›King of the
Cats‹ ist vor langer Zeit ein Gott geworden. Er kann alles tun,
was er will. Selbst als er noch lebte, konnte er nicht unter den
Menschen wandeln, aus Angst, daß sie ihn in der Raserei ihrer
Liebe in Stücke reißen würden. Darum benutzt er in
allen seinen späteren Filmen ein Double für die
Außenszenen, und darum konnte er niemals ins Ausland
reisen.«
    Miriam lachte. »Deswegen war sein Manager ein illegaler Alien
und konnte die USA selbst nicht verlassen. Und als ich ihn gesehen
habe, war der King noch nicht einmal mehr so berühmt. Er ist
bloß nach seinem Tod berühmt geworden.« Sie lachte.
»Es stellt sich heraus, daß sie die ganze Zeit über
recht hatten, er ist nicht wirklich gestorben, er ist in Wirklichkeit
von Aliens entführt worden. Weißt du, wir haben
Geschäfte mit dem Ding auf Jupiter. Oder Aspekten davon. Der
›King of the Cats‹ ist bloß ein Aspekt des Dings,
aber ich habe nie verstanden, was er eigentlich will. Wir empfangen
seine Sendungen auf Amerikanisch. Das Ding bewegt sich auf
rätselhaften Wegen, das ist alles, was daran ist. Wir haben
Glück, daß es auf unserer Seite ist, mehr oder weniger
jedenfalls.«
    »Du meinst dein Danwei?«
    »Meine Familie? Oh, die, natürlich. Aber ich meine uns
alle. Menschen. Oder daß das Ding auf Jupiter für uns
wenigstens nichts Böses bedeutet. Es hat keine Religion, so, wie
der irdische Konsens eine hat.«
    Lee dachte an seinen Urgroßvater, an die Himmelsstraße
und an die Allianz, die der Kaiser mit der Erde eingegangen war, ehe
er ins Schweigen verfallen war, an die Zehntausend Jahre, die
gegeneinander kämpften, um das Vakuum des Schweigens des Kaisers
zu füllen. Es gab kein Zentrum. Es war, als wäre all sein
Wissen jäh losgeschnitten worden, und eine Zeitlang konnte er
sich nicht einmal eine Frage ausdenken, die er hätte stellen
können. Als er sich eine ausgedacht hatte, war Miriam
eingeschlafen.

 
     

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15
     

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    Zu irgendeiner Zeit während der Nacht verstummte unbemerkt
das unmodulierte Heulen des Sturms. Lee erwachte zu dem einsamen
Knurren von Tony Joe Whites ›Linesman of the County‹, das
ihm dünn und klar im Kopf tönte. Miriam Makepeace Mbele
schlief, den Mund offen, einen leichten Schweißschimmer auf dem
bleichen Gesicht.
    Lee schob sich durch den

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