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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Eingangs zu ziehen, war es nicht zu
schwierig, sie den Hügel hinab zum Streitroß zu tragen.
Nachdem Lee zu ihm gesprochen hatte, gestattete ihm das
Streitroß, Miriams Körper über seinen Widerrist zu
schlingen, vor dem schmalen Sattel. Dann schwang sich Lee in den
Sattel, und das Streitroß machte einen Satz nach vorn und flog
in einem leichten Galopp über den Kies an dem vom Staub
verschluckten Fluß entlang.
    Das Geräusch der Friedenstaube war verschwunden, verschluckt
von dem schmerzenden Schweigen des Mars. Doch als Lee südlich
ritt, wobei sich der Bitterwasserfluß und sein breites Tal mit
einer stetigen Geschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde vor ihm
abspulte, spürte er eine Last zwischen den
Schulterblättern. Er war nicht entkommen, noch nicht.
    Er wußte, es wäre sehr unwahrscheinlich, daß er
die verwundete Pilotin zu einem der geheimen Lager der Ku
li-Rebellen zu tragen vermochte, selbst wenn er sie
aufspüren könnte. Aber in seinen Gedanken fiel das Rote Tal
zurück, und irgendwo dort waren sie, unter einem riesigen Baum
auf irgendeiner sumpfigen Landzunge, mit einem Lagerfeuer, das eine
dünne Ranke Rauchs in die dichten Blätter über ihnen
hinaufschickte, Ku li-Rebellen in abgerissenen, jedoch
sauberen Jacken und Hosen und schweren Stiefeln, die unter Stapeln
von Vorräten und Reihen von Gewehren ihren Geschäften
nachgingen, während Lee Miriam in einer leinenen Hängematte
wiegte, die von einem der großen Äste des
allesbeschützenden Baums herabhing und mit halben Ohr einem
Lehrer auf irgendeiner Lichtung zuhörte, der seiner im
Schneidersitz dasitzenden Zuhörerschaft die Macht der Menschen
erklärte…
    Lee fiel fast aus dem schmalen Sattel. Der reine Schock des
Schwindels weckte ihn sofort auf. Das Streitroß hatte zum
Schritt verlangsamt und schnappte nach der dornigen Vegetation, die
in den trockenen Schlammlachen wuchs, welche den Fluß
flankierten.
    Das Geräusch der Friedenstaube zitterte irgendwo im leeren
Himmel.
    Lee griff mit der Absicht nach den Zügeln, das
Streitroß unter Kontrolle zu bringen, vergaß jedoch, das
Kommandowort zu sprechen, und das Her schlug nach seinem Bein. Lee
zog die Zügel fest zurück und rief. Das Streitroß
tänzelte zur Seite. Miriam fing zu rutschen an, und Lee packte
sie: das Streitroß machte einen Buckel, und sie beide
stürzten herab.
    Sie rollten einen verkrusteten Hang getrockneten Schlamms
hinunter, eingehüllt in Wolken von Staub. Das Streitroß
kreischte und schoß davon wie der Pfeil von einer Bogensehne.
In weniger als einer Minute war es außer Sicht. Die Staubfahne,
die es in seinem Kielwasser hinterließ, hob und wand sich in
der stillen Luft.
    Der Sturz brachte Miriam teilweise zur Besinnung. Lee half ihr,
sich aufzusetzen, und sie boxte ihn mitten auf die Brust. Als er nach
hinten fiel, zog sie ihm die Lampe aus der Gürtelschlinge. Ihre
Augen glänzten vor Tränen. Sie sagte: »Tu’s!
Tu’s jetzt!«
    »Ich, nein…«
    »Töte mich!«
    Lee griff nach der Lampe, doch Miriam warf sich flach zu Boden,
behende wie eine zuschlagende Schlange. Etwas über ihren
Köpfen brüllte und brüllte. Lee machte erneut einen
Satz, doch es gelang ihr, ihm einen scharfen Ellbogen in die Rippen
zu treiben, und sie versuchte, sich von ihm wegzuwälzen. Er
faßte sie beim Fußknöchel und wurde durch
verkrusteten Schlamm gezerrt, ein Brüllen in den Ohren, das Herz
pochte. Miriam drehte sich, um auf seine Hände einzuschlagen,
und er zog; sie stürzte, aus dem Gleichgewicht geraten.
    In einem Augenblick war Lee über ihr; im nächsten hatte
er ihr die Lampe aus dem Griff gewunden. Sie traf ihn mit der
Schädeldecke am Kinn; seine Zähne schlugen über der
Zungenspitze zusammen, und stechender Schmerz fuhr ihm bis unter die
Schädeldecke. Sie stieß ihm einen Ellbogen in den Magen,
und er keuchte nach Atem, der jäh nicht kommen wollte. Das
Brüllen war lauter, und Staubfahnen flogen in alle Richtungen
von ihnen weg.
    Lee sah auf, sah die schwarze Wespengestalt der Friedenstaube ein
Dutzend Meter über ihm sich aufrichten, so nahe, daß er
das Gesicht des jungen Soldaten sehen konnte, der in einer Schlinge
außerhalb der Luke hing.
    Miriam hatte die Lampe wieder. Sie bohrte den Kolben in den roten
Staub. Lee stierte die schlitzförmige Linse an; dann riß
Miriam die Lampe ein winziges Stück zur Seite und feuerte.
    Einen Augenblick lang brannte ein intensiver Lichtfaden durch
wirbelnden Staub. Der Schwanz der Friedenstaube brach ab und flog

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