Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
Vom Netzwerk:
in
die eine Richtung davon, während der Hauptteil Purzelbäume
schlagend in die andere davonflog. Ein sich biegender Flügel
schlug in den schlammigen Fluß und warf die zerbrochene Kabine
gegen einen Sandsteinkamm dahinter.
    Lee versuchte, Miriam mit dem eigenen Körper zu decken, als
Trümmer durch die Luft wirbelten. Die gesamte Oberfläche
des Flusses schlug Blasen und kräuselte sich. Ein Teil der
Hülle rutschte über das Wasser und krachte in eine
Kiesböschung. Im Wrack der Kabine fing etwas Feuer. Lee war
dabei, aufzustehen, als ein Feuerball das Wrack einhüllte; er
fiel aufs Gesicht, als eine Flamme jenseits des Wassers
erblühte. Hitze spülte ihm über die Haut.
    »Verdammt noch mal«, sagte Miriam. An ihrer Stimme war
etwas Komisches. »Ich hab’ niemanden umbringen
wollen…«
    »Außer dich selbst«, sagte Lee. Etwas steckte ihm
in der Kehle fest. Dann, erstaunlicherweise, weinte er.
    Die Friedenstaube brannte noch immer. Ihr Rahmen glühte in
einer Gallerte aus Hitze und Flammen. Dicker schwarzer Rauch quoll in
den rosafarbenen Himmel.
    Mit ihrer schwachen, gequetschten Stimme sagte Miriam: »Du
reißt dich besser zusammen, Junge. Ich werde Hilfe
benötigen. Ich glaube, du hast mal wieder etwas völlig
kaputtgemacht.« Sie drehte den Kopf und spie Blut in den roten
Staub.

 
     

----
16
     

----
     
     
    Sie folgten den Spuren des Streitrosses. Es bestand wenig
Hoffnung, es einzufangen – es war jetzt womöglich auf
halben Weg zur Hauptstadt –, aber als sich seine Fährte vom
Fluß wegwandte, wandten sich Lee und Miriam ebenfalls weg.
    Sie mußten mühsam über eine hohe Steinwand
klettern, durch eine schmale Passage zwischen Sandsteinklippen, die
sich wie zwei einander berührende Köpfe über ihnen
trafen, dann begann ein langer Aufstieg einen steilen Engpaß
hinauf, das fossile Bett eines Nebenflusses, vor hundert
Jahrmillionen in die Klippen gerissen, als Mars völlig
überflutet gewesen war und Dinosaurier die Erde beherrscht
hatten.
    Der uralte Strom war teilweise durch die Terraformung wiederbelebt
worden – die Ränder des Engpasses waren übersät
von toten, umgestürzten Bäumen –, doch jetzt war das
Strombett von trockenem roten Sand verstopft. Der Engpaß
weitete sich in ein kleines abschüssiges Tal. Lee, der Miriam
huckepack trug, stolperte immer wieder über
wassergeglättete Steine. Da und dort standen Wassertümpel,
deren stille Oberflächen noch immer mit Staub bedeckt waren.
Weiter oben wusch eine Sickerstelle roten Schlamm grasbewachsene
Hänge hinab. Zwergwacholder breitete wohlriechende
dunkelgrüne Nadelfächer über Geröll und verwelkte
Grasklumpen aus; Himalaya-Pinien, kleinwüchsig und verdreht,
klammerten sich an Findlinge, mit knorrigen Wurzeln, die länger
waren als ihre verknoteten Stämme. Wäldchen von unreifen
Flechten streckten schulterhohe Lappen in die Höhe. Lee sah
Wüstenkatzen, Rosenfinken, Braunellen, entdeckte einmal einen
Sika-Hirsch, der durch den verkümmerten Wald floh.
    Zwischen den Zwergbäumen und den Sandsteinfelsen waren
abfallende Plätze, die mit Gras und Kräutern bedeckt waren.
Blaßgelbe Blumen hoben sich durch einen Mantel feinen roten
Staubs. Wann immer sie eine dieser winzigen Wiesen erreichten, setzte
Lee Miriam ab und legte sich neben sie, um ein paar Minuten lang
auszuruhen.
    Miriam war sehr schwach. Ihr Atem ging heiser und abgerissen. Sie
hatte längst aufgegeben, Lee zu sagen, er solle sie verlassen.
Es war fast Nacht, und es wurde allmählich bitter kalt.
Schließlich, als klar war, daß sie nicht mehr weitergehen
konnten, legte Lee Miriam auf einen schmalen Sims dünnen,
sandigen Rasens, nicht größer als eine Tischplatte.
    Lee hielt Miriam, und sie hielt ihn. Beide zitterten sie.
    »Jetzt, schätze ich, sterben wir beide«,
flüsterte sie heiser. »Du bist ein solcher Narr, Wei Lee.
Ich habe dir alles gegeben, was du brauchst, und dir geht das einfach
nicht in den Kopf. Eine ganze Welt, in deinen
Händen…«
    »Ich werd’ versuchen, ein Feuer anzuzünden.
Bald.« Er hatte ein wenig Stechginster gesehen; im toten Herzen
der Büsche gäbe es trockenes Holz, und er konnte damit
genügend Reibung erzeugen, um mit dessen Funken Zunder zu
entflammen.
    Miriam mußte keine Antwort geben. Sie war eingeschlafen oder
hatte das Bewußtsein verloren. Lee hielt sie. Über und
hinter ihnen kletterte der Zwergwald das schmale Tal zu einem
düsteren Himmel hinauf, der bereits sternenübersät
war. Und ringsumher waren die Laute der

Weitere Kostenlose Bücher