Roter Staub
–, lenkte er das Streitroß genau darauf
zu. Sie waren soweit gekommen, wie sie konnten, bis sich der Sturm
erschöpfte.
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Die riesenhaften Flechten waren von Cho Jinfeng entworfen worden.
Lee hatte zuvor schon darin Schutz gesucht, aber er hatte nie zuvor
einen besseren Grund dafür gehabt, der legendären
Genschnipplerin dankbar zu sein. Er und die Anarchisten-Pilotin,
Miriam Makepeace Mbele, lagen Kopf an Fuß in einer schmalen
Spalte innerhalb eines aufgeblähten Lappens verkeilt,
gewärmt von ihrer eigenen eingefangenen Körperwärme.
Die Wände, Böden und die gewinkelte Decke des Spalts waren
gefurcht wie ein Muskel. Die Furchen waren Bündel von Hyphen.
Hier und dort schwollen hyphale Stränge zu Haufen feuchter
Kügelchen an, die nach modrigem, gepfeffertem Fleisch
schmeckten, nach süß-saurem Obst oder nach überhaupt
nichts. Lange haarige Stränge verstopften den
korkenzieherartigen Eingang. Sporen und Venen von grüner
Biolumineszenz erschufen seltsame Konstellationen, die heller als das
gelbe Sturmlicht waren, das durch den Eingang sickerte.
Des Nachts schienen diese Konstellationen zu lodern, und das war,
als die Anarchisten-Pilotin erwachte, so, wie kranke Menschen ihren
Tagesrhythmus völlig auf den Kopf stellen. Sie kroch tief in die
Spalte der Flechte hinein, hinab in Richtung auf die Spinnweg-Hyphen,
die entworfen waren, um Körperabfälle zu absorbieren, und
Lee hörte, wie sie sich erbrach. Bei ihrer Rückkehr war sie
bleich und zitterte, aber sie war bereit zu reden.
Miriam Makepeace Mbele war sechshundertachtundzwanzig
Greenwich-Jahre alt, geboren in den Vereinigten Staaten von Amerika
auf der Erde, im sechsten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts.
Oder sie war achtzehn, ausgetragen in einer Flasche, nachdem das
Genom des Vorfahren ihrer Söldner-Klon-Ahnenreihe in ein
entkerntes Ovum transplantiert und von ihren Besitzern aufgezogen und
ausgebildet worden war, der Mbele-Somerville-Familie, der gleichfalls
der Informations-Nexus des Gürtels gehörte. Und sie war
dabei zu sterben.
Sie erklärte dies ziemlich nüchtern. Sie hatte eine Art,
Dinge direkt zu sagen, die sowohl aufregend als auch entnervend war.
Die Bruchlandung hatte eine Lunge zerdrückt, ihre Milz
zerstört und einen Riß in ihrer Leber verursacht. Die
Fulleren-Viren, die durch ihren Blutkreislauf schwärmten, hatten
Umhüllungen konstruiert, um ihren Metabolismus zu schützen,
sie hatten den Schmerz ihrer inneren Verletzung abgestellt und soviel
vom Schaden geflickt, wie sie konnten, aber ihre Leberfunktion war
fast auf Null reduziert. Blut staute sich und brach durch den
schwächsten Punkt, das Gewebe von Venen und Kapillaren in ihrer
Speiseröhre. Sie benötigte zwei in einem heulenden Sturm in
den Badlands des Roten Tals nicht erhältliche Dinge: Ruhe, um
den Schäden eine Heilung zu gestatten; und Transfusionen, um
verlorenes Blut zu ersetzen.
Lee wollte nicht glauben, daß er sie nur gerettet hatte, um
sie zu verlieren. Er sagte, daß er, sobald der Sturm sich
gelegt hätte, einen medizinischen Techniker in der nächsten
Siedlung suchen würde, aber sie lächelte bloß und
dankte ihm und sagte, es sei unmöglich.
»Oh, es sind weiße Menschen, hast du das nicht
gewußt? Yankees. Bettler, Diebe und Vagabunden.«
Miriam Makepeace Mbele (Lee benötigte eine Weile, sich an die
Vorstellung eines Namens zu gewöhnen, der von hinten nach vorn
gelesen wurde) sagte: »Wie sehr sind die Mächtigen
gefallen. Aber nicht das ist wichtig. Gerade im Augenblick bist du wichtig, Wei Lee.«
Sie wollte, daß Lee verstand, weswegen sie hier war. Sie
sagte, sie sei gesandt worden, mit Lees Urgroßvater zu handeln.
Sie trug eine Ladung alleskönnender Viren mit sich, die je nach
Notwendigkeit Zweige spezialisierter Untergruppen erzeugen konnten,
ebenso wie T-Zellen des Immunsystems eine fast unendliche Vielfalt an
Antikörpern erzeugten. Die alleskönnenden Viren, die Miriam
mit sich trug, erzeugten eine ganze Vielfalt, die mit den Krankheiten
des Alters umgingen, und Lees Urgroßvater hatte geplant, diese
unter den Zehntausend auszustreuen, um Unterstützung für
die Himmelsstraße zurückzugewinnen. Er glaubte, daß
er Miriam nach ihrer Gefangennahme nicht mehr lebendig benötigt
hätte; insbesondere, nachdem das Danwei von Bitterwasser
die Nachricht ihrer Gefangennahme an die kommerziellen
Nachrichtensender verkauft hatte. Er hatte etwas von ihrem Blut
abzapfen lassen, während sie von
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