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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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ich zusammen war.«
    »Vielleicht war sie vor langer Zeit eine Yankee. Dorje und
Nangpa kümmern sich um sie. Ich werde dich dorthin bringen und
dir auch etwas zu essen suchen. Ist sie deine Freundin?«
    Lee folgte dem alten Mönch einen schmalen Korridor hinab. Wie
die Zelle war er aus nacktem Sandstein geschnitten. Lee spürte
das Gewicht des Felses über seinem Kopf, eine Spannung in der
dämmrigen Luft wie ein Wort, das darauf wartete, ausgesprochen
zu werden. Butterlampen brannten in Nischen, eine Reihe rauchender
Sterne. Lee sagte nach einem langen Schweigen, das nahezulegen
schien, er solle etwas sagen: »Ich habe ihr das Leben
gerettet.«
    »Und natürlich empfindest du eine Verpflichtung ihr
gegenüber, genauso, wie die Götter verpflichtet sind, uns
zu helfen, denn sie haben uns immer wieder errettet. Und sie werden
es tun, bis zum Ende der Zeit. Wir sind alle begierig, deine
Geschichte zu hören. Sie ist nicht menschlich, weißt
du.«
    Lee hätte Pemba gefragt, was er meinte, aber in diesem
Augenblick schwang jemand eine Tür aus einer Öffnung in der
Korridordecke herab. Es war der Affenmann, auf den Lee im Traum einen
Blick hatte werfen können – und er wußte jetzt,
daß es nicht im geringsten ein Traum gewesen war.
    Pemba schlug der Kreatur auf die haarige Flanke, und sie
drückte sich von ihm weg. Pemba sagte: »Mach dir nichts aus
Affe. Er ist zumeist harmlos, aber es gefällt ihm zu versuchen,
mich zu überraschen. Es ist eine Anlage zur Possenspielerei, die
ich noch nicht habe aus ihm herausprügeln können. Aber ich
brauche ihn, siehst du, weil wir uns wegen dir noch nicht sicher
sind.«
    Affe war vielleicht zweieinhalb Meter groß – es war
schwierig, es genau zu sagen, weil er sich in einer gebeugten,
sichelbeinigen Gangart bewegte, wobei die Hände neben den nach
außen stehenden Knien schwangen. Er trug lediglich eine Art
Weste mit vielen ausgebeulten Taschen, und er war mit rauhem
rötlichen Haar bedeckt. Seine braunen Augen spähten unter
schweren Brauen auf Lee herab, die sich glatt zurück zu dem
Schopf auf seiner Schädeldecke hoben; breite flache Nüstern
schnüffelten, und dünne Lippen wichen von Fängen von
der Farbe alten Elfenbeins zurück. Seine Füße waren
riesig, mit einander gegenüberstehenden großen Zehen. Sie
verursachten ein stumpfes, klatschendes Geräusch, als er Lee und
Pemba den Korridor entlang folgte.
    »Ich weiß nicht, ob ich mich vor deinem Freund
fürchte, weil ich nichts von ihm weiß«, sagte Lee.
»Ich habe mit Sicherheit in meinem ganzen Leben nichts wie ihn
gesehen.«
    »Affe ist unser Diener, aber ich glaube, daß einige
seiner Art wild leben, in den Bergen. Ich erinnere mich daran,
daß ich, als ich ein Junge war, Fußabdrücke im
Schnee gesehen habe, genau wie die seinen. Die Menschen der Berge,
meine Leute, haben Geschichten über die Kreaturen erfunden, die
solche Spuren machen, aber wie üblich ist die Wahrheit weniger
interessant, als die Geschichten es sind. Vielleicht sind die Spuren
von einem Diener auf dem Weg von einer Lamaserie zur anderen
hinterlassen worden. Jetzt hier entlang.«
    Pemba und Affe führten Lee durch einen dunklen Raum. Hallende
Fußtritte deuteten an, daß er riesig war, eine hohe Decke
hatte und leer war. Auf der anderen Seite ließ Licht eine
Türschwelle hervortreten. Lee mußte sich ducken, um
hindurchzukommen, und fand sich in einer langen,
farbensprühenden Halle wieder.
    Geschnitzte Säulen mit roten und goldenen Figuren, die
inmitten wirbelnder Muster umhertanzten, wichen zurück zu einer
riesigen Statue des Buddha in Lotus-Haltung. Lee erinnerte sich jenes
ernsten, jedoch spöttischen goldenen Gesichts, dessen gebogener
Augenbrauen und der großen Augen, des leicht geöffneten
Munds. Der Kopfschmuck des Buddha war reich mit Juwelen verziert; ein
rotes Tuch um seinen Hals unter einen schweren
juwelengeschmückten Halsring gesteckt. Kleine Statuen geringerer
Bodhisattvas überhäuften die Stufen, die zu seinem Thron
hinaufführten, und vor den Stufen trieben Myriaden winziger
Flammen in zwei großen flachen Schüsseln: Ozeane aus
Yakbutter-Kerzen, deren heißer stechender Geruch die Halle
erfüllte. Zu einer Seite des Throns standen goldene Statuen
zorniger Gottheiten und Schutzgötter in Wandnischen; zur anderen
Seite befand sich ein Schrein mit einem dreieckigen hohen Dach, wie
ein kleines Haus, der einen Tank beschützte, worin ein
zusammengeschrumpfter Homunculus schwebte. Der Schrein stand auf
einem Würfel

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