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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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leuchtend schwarzen Materials, worin Funken zu
treiben und gleiten schienen.
    Affe kniete nieder. Die Handflächen flach auf dem Boden,
verbeugte er sich so tief, daß seine schweren Brauen den
gefliesten Boden berührten. Er verbeugte sich nicht vor dem
Buddha, sondern vor dem Schrein.
    Pemba faßte Lee am Arm und führte ihn das mittlere
Schiff hinab, zwischen die Ozeane aus Yakbutter-Kerzen. Unterhalb der
von Statuen übersäten Stufen, die zum Thron des Buddhas
führten, stand ein Tisch, wo sich zwei Gestalten in Roben
über eine auf dem Bauch liegende Gestalt beugten.
    »Deine Freundin«, sagte Pemba. »Dorje und Nangpa
versuchen, sie zu retten, aber ich fürchte, daß wir dazu
womöglich nicht die Gerätschaften haben.«
    Einer der Mönche sagte: »Vielleicht könnte niemand
sie retten.«
    Der andere fügte hinzu: »Es hängt natürlich
davon ab, was du mit ›retten‹ meinst. Der Körper ist
nicht wichtig, Dorje.«
    »In meinem gegenwärtigen Inkarnations-Zustand ist mir
mein Körper wichtig, Nangpa.«
    Die Mönche in den orangefarbenen Roben waren beide älter
als Pemba. Der erste, Dorje, war groß und hager, ein gebeugter
Storch von einem Mann mit schweren Knochen und einer Haut, die so
dunkel und verrunzelt war, daß sie geräuchert worden sein
mochte. Nangpa war wie ein Gespenst, beschworen aus Pergament; die
Nähte seines Schädels und eine Landkarte von blauen Venen
waren unter seiner bleichen Haut sichtbar. Seine Ohren waren riesig
und durchscheinend, die Läppchen von goldenen Ohrringen
dermaßen verlängert, daß sie seine Schultern
berührten.
    »Bis wir ihre Maschinen herausziehen, ist ihr Körper
ebenfalls wichtig«, sagte Dorje. »Der Körper ist das
Gefährt, stimmt, aber er ist wichtig, so lange er voll ist und
nicht geleert werden kann.«
    »Dieser hier ist voll, ganz sicher. Weitaus zu
voll.«
    Miriam war nackt. Eine Art Maske lag über ihrem Gesicht, von
der Drähte ausgingen, die sich mit einem Netz von Kabeln
verwoben und sich hinauf in die Dunkelheit wanden. Pemba legte Lee
die flache Hand auf die Brust; bis zu diesem Moment war Lee nicht
bewußt gewesen, daß er hatte vortreten wollen.
»Nein, junger Han«, sagte Pemba sanft. »Sie
gehört nicht länger mehr dir.«
    Dorje berührte mit einem silbernen Stab den Ringfinger von
Miriams rechter Hand, ihr Handgelenk, ihren Ellbogen, ihre Schulter,
ihre Halsseite, ihre Schläfe. Er sagte: »Wir versuchen, die
Tripleburner Route zu aktivieren, haben jedoch noch immer viel zu
tun, ehe sie völlig exorziert ist. Woher kommt sie, junger
Han?«
    »Vom Himmel«, antwortete Lee.
    Nangpa sagte mit milder Stimme zu seinem großen
Gefährten: »Sie hat unserem Meister die Wahrheit gesagt. Es
sei denn, der Junge lügt ebenfalls.«
    »Tut er nicht«, sagte Pemba.
    »Es spielt keine Rolle, woher sie kommt, sondern, wer sie
ist«, sagte der große Mönch. »Es spielt keine
Rolle, wer sie ist, sondern, was sie tut.«
    »Es wäre hilfreich, wenn wir wüßten, wer die
Maschine gebaut hat, die sie verseucht«, erwiderte Nangpa.
    Dorje berührte Miriams Halsseite mit seinem silbernen Stock.
»Nadeln dorthin, rasch, ehe sich die höllischen Dinger
wieder ausbreiten.«
    Pemba sagte zu Lee: »Es ist so lange her, seitdem sie das zu
tun hatten. Meister Norbhu ist vor – nun, es muß vor
fünfzig Jahren gewesen sein – dahingegangen, und abgesehen
davon hatte er keine Maschinen in seinem Blut.«
    »Nicht, bis wir sie hineingebracht haben«, sagte Nangpa.
»Und es sind sechsunddreißig Jahre gewesen, nicht
fünfzig, junger Pemba.«
    »Es sind sechsundfünfzig gewesen«, sagte Dorje.
»Aber nur Pemba macht es etwas aus, wie lange es her gewesen
ist. Er ist nicht hier geboren.«
    Pemba verbeugte sich und sagte bescheiden: »Herr, ich
weiß, daß die Jahre für einen von unten nicht
zählen, und bis gestern war ich noch nicht für sehr lange
Zeit oben.« Dorje und Nangpa nahmen keine Notiz davon. Pemba
sagte zu Lee: »Ich mußte Affe helfen. Zwei von uns waren
nötig, weil ihr zu zweit wart. Es gibt immer nur einen Affen.
Beschränkungen der Bandbreite verhindern, daß Meister
Norbhu mehr als einen gleichzeitig kontrollieren kann. Aber als ich
dich habe zurücktragen müssen, junger Mann, habe ich darin
allmählich ein Argument für zwei gesehen, obgleich einer
schon genug Schwierigkeiten macht. Wir hätten dich dort sterben
lassen können, aber das ist nicht unsere Art.«
    »Ich verstehe nicht, was sie Miriam antun«, sagte Lee.
»Wer ist euer Herr? Wie kann er ihr

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