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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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den Untiefen treibende
Pontons Hektare von Algen und Azolle zum Füttern
einpferchten.
    Lee sah bald ein, weshalb Falke einen der denim-gekleideten
Männer angeheuert hatte, die um die Spitze des Viehtriebs
herumhingen, zumeist lakonische, rundäugige Yankees, um die
Herde durch die sich ständig verändernden Labyrinthe der
Viehhöfe zu führen. Er hatte geglaubt, die Reise wäre
vorüber, sobald sie die Viehhöfe erreicht hätten, aber
es brauchte von Mittag bis Sonnenuntergang, um sich ihren Weg zu der
Futterparzelle zu bahnen, die für die Herde reserviert war.
    Wie der Bahnhof waren die Viehhöfe eine Kultur im Kleinen.
Ebenso wie Führer waren da Schlächter und Prüfer,
Veterinäre und Auktionäre, Viehzüchter, Cowboys,
verschiedene Feldarbeiter und Händler. Sie versorgten die ganzen
äquatorialen Hochebenen, und selbst auf einer so kleinen und
unfruchtbaren Welt wie dem Mars war das ein beträchtliches
Territorium. Lee hatte einmal gelesen, daß die Ebenen das
Streifzugsgebiet von zehn Millionen Köpfen gezähmter Yaks
und Dzos waren, sowie ungezählter Yaks, die wieder verwildert
waren. Erst jetzt gewann die Statistik etwas Wirklichkeit.
    Der größte Teil der Herde war nicht zum Schlachten
hergebracht worden, sondern damit die Yakkühe kalben oder
gedeckt und damit die Kälber aussortiert werden konnten. Die
männlichen Tiere wurden fast alle kastriert, gemästet und
geschlachtet, ohne je den Huf auf die roten Weiden zu setzen. Die
weiblichen Tiere wurden gezeichnet und kehrten mit ihren Müttern
und frisch befruchteten Tanten zurück. Die Yaks in der Herde,
von denen die Cowboys jeden einzelnen unterschiedslos ›er‹
nannten, waren alle weiblich.
    Die wirkliche Arbeit fing an, wenn die Futterparzellen erreicht
waren. Der Chip, der in jedem Yak implantiert war, wurde von einem
Prüfer mit einem Ausdruck der physiologischen Geschichte des
Tiers überprüft. Um dies zu tun, mußten die
verwirrten und gereizten Tiere eines nach dem anderen in eine Rinne
bugsiert werden, bis eintausendachtundzwanzig hindurch und in das
große nackte Feld dahinter entlassen waren.
    Die Yaks wurden mit einem schlabberigen Zeugs aus Azolle und
reifen Gärfutter versorgt. Die Cowboys tranken Tee in einem
Kreis um ein Lagerfeuer, während Falke die Runde machte und sie
ausbezahlte. Er drückte Lee eine kleine Rolle Zehn-Yuan-Scheine
in die blutenden Hände und sagte ihm, er solle am nächsten
Tag sein Stadthaus aufsuchen, am Platz der Zweitausend Märtyrer.
Er sagte mit einem rauhen vertraulichen Unterton: »Du bist ein
guter Arbeiter. Ich habe mich entschlossen, daß du etwas von
dem Gewinn aus unserer Himmelsbeute verdienst, aber sag den anderen
nichts davon, von wegen böses Blut. Und noch etwas. Sei
vorsichtig mit Redd. Er mag kein so ein guter Freund sein, wie du
glaubst. Erzähle ihm nichts von unserem kleinen
Rendezvous.«
    Die meisten Cowboys gingen in Richtung auf den Streifen
Räucherhäuser und Vergnügungspaläste am Seeufer
hinter den Fabriken zur Futterherstellung. Redd erklärte Lee,
daß sie den größten Teil ihres Lohns dort ausgeben
und dann bei einem anderen Herdenboß unterzeichnen würden.
»Du kommst mit mir, Billy Lee, und nimmst ein Bad. Das habe ich
nämlich zu tun vor.«
    Lee war einverstanden. Er war zu erschöpft, um sich wegen
Falkes geflüsterter Warnung Sorgen zu machen, in Wahrheit zu
erschöpft und verängstigt, um sich selbst viele Gedanken zu
machen. Er war zurückgekehrt, um seinen Urgroßvater
herauszufordern, entweder dadurch, daß er die Leute fände,
die ihn, wie Miriams Geist gesagt hatte, irgendwo in der Stadt
erwarteten, oder im Versuch, ihm die allesvermögenden Viren zu
verkaufen, und beim einen wie beim anderen glaubte er, er hätte
nicht lange zu leben.
    Sie gingen das kurze Stück zur Straßenbahnhaltestelle.
Als Lee nach Redds Pony fragte, sagte der Cowboy: »Mir
gehört nicht mal der Sattel. Was ist an einem Pferd so
Besonderes? Launische Biester mit einem häßlichen
Biß und einem Gehirn etwa so groß wie eine
sonnengetrocknete Weintraube. Halsbrecherische Fortbewegungsart,
wobei einem die Eier bei jedem Schritt zwischen Sattel und Arsch
durchgeklopft werden. Sie werden krank, wenn man’s
überhaupt nicht brauchen kann, müssen jede Sekunde
beobachtet werden, falls ihnen eine verdammte Idee von
Unabhängigkeit in den Kopf kommt. Und noch was: hast du je Pferd
gegessen? Sie schmecken nicht mal gut. Was mir gefallen würde,
wäre, alles von einer Friedenstaube aus der Luft zu

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