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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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etwas ähnlich, aber in dem
erlöschenden Glanz aus der Kapsel sah er, daß die Bilder
mit Gewalttätigkeiten belichtet waren, mit kostümierten,
muskelstarrenden Freaks, mit Flammen und Explosionen in hohen
Gebäuden aus Glas, mit allen Arten von merkwürdigen
Dingen.
    Redd sagte: »Dafür erhalten wir gutes Geld, und in den
alten Tagen hätten wir den staatlichen Zensoren des Kaisers auch
eine lange Nase gezeigt. Aber jetzt gibt es soviel Propaganda,
daß dies lediglich ein weiteres Staubkorn im Sturm
ist.«
    »Oh«, sagte Lee. Ihm ging allmählich auf, woher all
die Rock ’n’ Roll-Kunstwerke kamen. Seine Poster des
›King of the Cats‹, die Datenträger seiner Musik, die
Fragmente seiner Filme. Für wen arbeitete der King dann?
    Er half den anderen dabei, die zerbrechlichen Paneele der
ausgebrannten Kapsel zurückzuschieben, Bündel von
Flugblättern zu entladen und sie den Ponys aufzuladen. Papier
war über den ganzen Krater geweht worden, und die Cowboys
begannen ihren Ritt zum Lager zurück inmitten von Kakteen,
geschmückt mit Flugblättern, die, auf Stacheln
aufgespießt, flatterten und schlugen wie eine Million
gekreuzigter Vögel.

 
     

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29
     

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    Das Treiben zur Hauptstadt benötigte ein Dutzend weiterer
Tage. Sie verließen die weiten, kraterübersäten
Ebenen und kreuzten am Shaylin-Paß die Bergkette des Goldes.
Die Spannseile eines skelettierten Relaisturms waren behängt mit
Tüchern, worauf Gebete gedruckt waren, und mit Wimpeln von
reinem Weiß, Blau, Rot und Gelb, die in dem dünnen,
beständigen Wind flatterten. Die älteren Cowboys machten
Halt, um weitere Wimpel und Gebete flattern zu lassen, oder um Steine
auf den riesigen Hügel roter Steine zu setzen.
    Dieselben Cowboys blieben auch stehen, um ihre Verehrung für
am Wegrand liegende Schreine zu zeigen. Erst als sie den dritten oder
vierten Schrein in ebensoviel Stunden passierten, eine niedrige
Gebetsmauer mit einem Paar gebogener Augen, die in verblassendem Rot,
Blau und Weiß über das allgegenwärtig geheiligte
Mantra Om mani padme hum gezeichnet waren, fiel Lee auf,
daß sie sich auf einer Straße befanden, oder wenigstens
einem Pfad. Redd deutete auf Steinreihen zu beiden Seiten der breiten
ausgefahrenen Straße – vor zwei Jahrhunderten von Hand
herausgeholt, sagte er.
    Lee entsann sich, was Pemba ihm erzählt hatte: daß
jeder Stein heilig sei, denn jeder Stein war durch die
Veränderung berührt worden.
    In einer Nacht lagerten die Treiber am Rand eines winzigen Dorfs,
das um eine Heizungsmaschine ein gutes Stück voraus
herumgewachsen war. Ein halbes Dutzend Häuser mit Flachdach,
gegeneinander gesackt, als wollten sie sich gegenseitig stützen.
Erbaut aus rosafarbenem Sandstein, verschmolzen sie richtiggehend mit
der Landschaft. Alle Dorfbewohner waren in formlose, einhüllende
Gewänder und schwarze Gazeschleier gekleidet, so daß man
nicht sagen konnte, wer Mann und wer Frau war. Vielleicht war das der
Sinn. Sie verkauften den Cowboys Kartoffeln, die an der
Außenseite zu knuspriger Kohle verbrannt waren und in der Mitte
einen kalten feuchten Knoten hatten, hielten sich jedoch ansonsten
fern.
    Der Brunnenkopf dominierte das zusammengesackte Dorf, eine riesige
Blume mit sich nach oben verjüngenden Blütenblättern,
die mit einem dichten Rohrnetz das Sonnenlicht auf schwarze Paneele
fokussierte. Sonnenlicht erwärmte die Paneele, durch die das
Wasser floß; das erhitzte Wasser wurde durch die eigene
Ausdehnung unter den Boden getrieben, um den Permafrost zu schmelzen.
Das Wasser wurde dazu benutzt, die steinigen Kartoffelfelder des
Dorfs zu wässern. Es schmeckte nach Eisen und Bittersalzen,
dieses fossile Wasser. Am Tag, nachdem er es getrunken hatte, litt
Lee schlimm an Durchfall, was Ursache für eine nicht
endenwollende Heiterkeit bei den Cowboys war.
    Die meisten der Cowboys hatten irgendein verschlossenes Geheimnis,
ein Grund, weshalb sie bei diesem Ausflug mitritten. Während er
unter ihnen ritt, hörte Lee ein wenig von ihren Geschichten.
Falke war durch einen Vertrag an eine Arbeitsgruppe eines Danweis gebunden gewesen, als er sechs Jahre alt war, war ein Jahr
später entflohen und hatte sich seinen Weg vom Cowboy zum
Herdenboß hochgearbeitet. Er war der Besitzer der Yaks, die sie
von den Winter-Weideflächen trieben. Der hagere Weißauge
hatte ein Dutzend Frauen in seiner Nachbarschaft vergiftet und war
dann dem Transportzug entkommen, der ihn zum polaren Arbeitslager
hatte bringen sollen. Der

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