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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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wird.«
    »Kriegsfürsten«, sagte Lee.
    »Soweit ist es nicht gekommen. Noch nicht. Wollen hoffen,
daß es nicht soweit kommt. Aber ihre Gruppen beherrschen jetzt
die Straßen, teilen die Stadt unter sich auf. Als ich hier weg
bin, hat es fast jede Nacht Feuergefechte gegeben. Sieht aus, als
wäre es schlimmer geworden.«
    Unter der Kuppel war ein Labyrinth aus schmalen Straßen und
noch schmaleren Hutongs, ein enges Straßengewirr, das über
und um die ursprünglichen Gebäude hochgewachsen war, bis
fast keine Spur der Yankee-Siedlung mehr übriggeblieben war,
welche die Kuppel einst geschützt hatte. Die Recycling-Einheiten
für die Atmosphäre waren seit langem überlastet, und
schmieriges Kondenswasser tröpfelte beständig auf die
Schichten von flachen Dächern und die dazwischenliegenden Rippen
der Hitzeaustauscher herab. Apartmentblocks, Arkaden und Fabriken
wuchsen ineinander wie Korallen. Gemüse wurde in Innenhöfen
gezogen, die voll purpurfarbenem Licht waren, das von
Stützrahmen fluoreszierender Rohre ausstrahlte. Verknotete
Kabel, Röhren, optische Fasern und Telefondrähte verliefen
überall. Licht fiel aus Schächten in die schmalen Hutong,
vorüber an Mustern aus durchhängenden Drähten oder
Rauchfahnen, an Baikonen, an den verrammelten Eingängen
Tausender winziger Läden (es hieß, wenn man alles auf dem
Mars kaufen könnte, dann im Yankee-Viertel). In etliche Hutong
fiel überhaupt kein Licht, denn die Gebäude zu beiden
Seiten waren hoch droben zusammengewachsen.
    Die Hauptstraße teilte das Viertel mehr oder weniger in zwei
Hälften. Über ihre gesamte Länge wimmelte die Menge
auf und ab, die Hälfte davon Yankees, der Rest mehr oder weniger
gleichmäßig verteilt zwischen Tibetanern und Han. Viele
trugen Hüte, die sie über das Gesicht herabzogen, und Capes
aus einem glitschigen, wasserdichten Material in leuchtenden
Primärfarben über gewöhnlichen Blusen und Hosen. Es
waren ein paar Milizen hier, jedoch viele Soldaten der
Sprachrohr-des-Volkes-Armee, junge, kahlgeschorene Rekruten mit den
noch immer frischen Narben ihres chirurgischen Gehirneingriffs, die
meisten gingen paarweise, Hand in Hand, so, wie es die Bürger an
einem fremden Ort taten. Lee sah einen Piloten, der auf seiner
steifbeinigen, insektenhaften Trage über die Menge
hinwegbefördert wurde, wobei Brustplatte und Kugelhelm
glänzten. Ein Paar Conchie-Missionare von der Erde, einander
ähnlich wie Zwillinge, gingen Seite an Seite in ihren dunklen
Anzügen, und kaum jemand nahm Notiz von ihnen, obgleich ihnen
jeder aus dem Weg trat. Straßenbahnen schoben sich durch die
Mengen von Fahrrädern, welche die Straßen verstopften.
Elektrische Schilder stiegen Dutzende von Metern in die Höhe,
wobei die Neonröhren in dem Niesel zischten. Da und dort trieben
Hologramme, Wolken-Botschaften, an denen unspürbare Brisen
heftig zerrten. Die meisten der Schilder waren in der wurmartigen
veralteten Yankee-Schrift geschrieben; Umgangssprachen-Ideogramme
waren selten. Immer wieder ertönte das Knallen von
Knallfröschen; es war der Anfang des Festes der kleinen
Götter der Seefischer, und dies erinnerte Lee an das, was
Miriams Geist gesagt hatte.
    - Sie leben in der Nähe von Wasser.
    Redd hielt eine Hand auf Lees Schulter und steuerte ihn in eine
übervölkerte Einkaufsstraße, die von der
Hauptstraße wegschwang. Radfahrer, mit den
Fußgängern verwoben, hieben auf winzige Hupen ein. Die
Straße wurde von fluoreszierenden Röhren erhellt, die auf
einem Betondach festgeklammert waren, sowie durch die Schilder und
Schaufenster der Geschäfte, die allesamt elektronische Bauteile
verkauften.
    »Hier entlang«, sagte Redd und tauchte in einen
schmalen, tunnelähnlichen Hutong. Es gab keine Lampen, dennoch
rasten Fahrräder achtlos entlang, wobei sie beständig ihre
Hupen ertönen ließen, als orientierten sie sich durch
Sonar, wie Fledermäuse. Eine Treppe führte vom Hutong weg
und schraubte sich hinab zu einer dämmrigen,
überfüllten, lärmenden Höhle von Bar. Eine
Stahltheke lief um drei Seiten. Männer, fast alles Yankees,
standen Schulter an Schulter, tranken unablässig und
beobachteten eine Yankee-Frau dabei, die sich innerhalb eines
erhöhten Käfigs auszog. Lee sah sie mit offenem Mund an,
und Redd zog ihn beim Ellbogen über die Bar und durch einen
Bogen mit einem Vorhang aus Plastikstreifen in einen weiteren Raum,
kleiner und ruhiger, Wände und Decke aus weißgestrichenem
Beton, von nackten Fluoreszenz-Röhren erleuchtet. In

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