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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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berühmten Wahrsagern für
unsere Familie angefertigt, von Yuan Tiangang, nach dem ich benannt
bin, und Li Chunfeng. Hier, mein Sohn hat ihn.«
    Es war ein dickes Bündel uralter zusammengehefteter
Papierfaserblätter. Als es entrollt wurde, nahm es die
Hälfte des Bodens in dem kleinen Raum ein. Es war mit Tausenden
von Symbolen bedeckt. Die Sonne, der irdische Mond in allen seinen
Phasen, Sterne und Berge, Bäume und Pflanzen, Vögel, Tiere
und alle Arten von Haushaltsartikeln, alles bunt
durcheinandergeworfen.
    »Wir nennen es das Rücken-an-Rücken-Diagramm«,
sagte Kong Tiangang. »Die Symbole repräsentierten das
Schicksal einer jeden Generation.«
    »Mir scheint, daß Yuan Tiangang und Li Chunfeng in der
Tat sehr kluge Weissager gewesen sind«, sagte Chen Yao,
»denn es gibt so viele verschiedene Symbole, daß keine
Generation darin fehlschlagen kann, etwas zu finden, das die
Bedeutung ihres eigenen Lebens widerspiegelt.«
    »Das mag stimmen, kleines Fräulein«, erwiderte Kong
Tiangang. »Wenn es so ist, dann wird das, was ich deinem Herrn
zeige, keinen Schaden anrichten, und ihr werdet zumindest die
Gastfreundschaft meiner Familie genossen haben.«
    »Bitte«, sagte Lee. »Ich würde gern sehen, was
es ist.«
    »Wir haben ein Symbol gefunden, das, wie wir glauben, die
einhundertzehnte Generation repräsentiert, hier, ein Affe in
einem Espenbaum. Unsere liebe, unglückliche Tochter wurde im
Jahr des Affen geboren, und du hast gesehen, wie sich ihre
Gliedmaßen rühren und wie sie zittern, wie die Zweige
einer Espe im Wind. Dennoch siehst du, daß der Affe in den
Zweigen der Äste die Sichel eines blutigen Monds in der Klaue
hält, und daß die Espe an der Seite eines Berges steht,
dessen Basis von einem Tiger bewacht wird. Ich glaube, daß du
der Affe bist, Herr, gekommen, um unsere Tochter zu heilen und den
roten Planeten zu retten.«
    »Bitte«, sagte Kong Tiangangs Frau. »Wir haben
teuer dafür bezahlt, daß man ihr Maschinen ins Blut
gepflanzt hat, die Stromkreise in ihrem Nervensystem aufbauen
sollten. Aber das hat sie nicht geheilt.«
    »Sie hat keine Anfälle mehr«, sagte Kong Tiangang.
»Aber sie zittert noch immer, wie ich gesagt habe, wie die
Zweige einer Espe. Bitte, Herr.«
    Chen Yao sagte: »Dafür sind deine Gaben nicht da, Wei
Lee!«
    Lee sagte: »Du verstehst, Meister Kong, daß ich nichts
verspreche.«
    Kong Tiangang verneigte sich.
    Lee kniete neben der gelähmten jungen Frau nieder, legte ihr
eine Hand auf die Stirn. Sie vibrierte, versuchte schielend, den
Blick auf sein Gesicht zu richten. Ihre Zunge arbeitete in ihrem Mund
wie die Zunge eines Tiers. Lees Mund wurde jäh von Speichel
überflutet, und er beugte sich hinab und küßte sie,
indem er die Zunge tief in ihren Mund schob. Nach einer Weile setzte
er sich, seltsam bewegt, zurück. In dem übervölkerten
Raum folgte ein langes Schweigen. Dann schielte die junge Frau nicht
mehr länger. Sie starrte Lee in die Augen, seufzte und fiel in
Schlaf, wobei sich ihre zuckenden Gliedmaßen entspannten, die
zu Klauen gekrümmten Hände sich lösten.
    Ihre Mutter stieß einen Schrei aus, so hoch und
durchdringend wie ein Vogel, und Lee stand auf, als die Frau an die
Seite ihrer Tochter eilte. In einem Augenblick war der Raum voller
Leute, die Rufe ausstießen über dieses Wunder. Die
gelähmte junge Frau schlief friedlich in ihrer Mitte.
    Chen Yao nahm Lee bei der Hand und zog ihn, gegen den Strom der
Menschen, aus der Wohnung hinaus und die Treppen hinab. Menschen
tätschelten ihm das Gesicht, ergriffen seine Hand. Eine alte
Frau beschenkte Lee mit einem tuchumhüllten Paket mit Reiskuchen
und Trockenobst. Lee nahm es, und die Frau verneigte sich vor ihm,
aber es war Chen Yao, die ihr dankte und Lee die Stufen hinabschob,
den selbsternannten Wächtern befahl, die verrammelten Türen
der Vorhalle zu öffnen. Zwei Männer boten sich an,
mitzugehen, und als Chen Yao ihre Hilfe zurückwies, hieß
sie der älteste, sich von den Hauptstraßen fernzuhalten,
wo die Milizen des Kleinen Vogels auf Patrouille waren.
    Draußen führte Chen Yao Wei Lee so rasch sie konnte ein
Gewirr von Wohnstraßen hinab. »Du mußt vorsichtig
sein«, sagte sie. »Hier sind überall Viren, wegen der
Flossler. Es war Cho Jinfeng selbst, die den Fischern einen
Translator-Strang gegeben hat. Seitdem haben sich die Viren
verändert, und so sind wir Avatar ins Dasein getreten. Aber
keiner von uns kann tun, was du getan hast. Die Neuigkeit wird sich
rasch ausbreiten.«
    »Ich

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