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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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King
lebt! Der King ist zurückgekehrt!«
    Eine der Friedenstauben besprühte Lees Abbild mit Laserfeuer,
und Lee schenkte ihr seine Imitation eines Lächelns des King. Er
drehte sich um die ausgestellte Hüfte und schnippte mit dem
Finger dem treibenden Offizier zu, der erschrocken höher in die
Luft schoß. Die Menge lachte und jubelte. Lees Stimme war in
ihrem Lärm fast verloren. »Die Regen werden kommen! Ihr
müßt lediglich den Himmel öffnen, und die Regen
werden kommen! Nehmt die Himmelsstraße!«
    Und dann konnte er seine Stimme nicht mehr länger hören,
als die Menge vorandrängte. Er sah, daß Lao San ihn von
außerhalb der Kegel des Kameralichts anstarrte, die Hände
an die Ohren gedrückt. Lee lächelte und winkte Xiao Bing zu
(seine projizierte Gestalt draußen über dem Platz
vollführte anscheinend eine Geste in Richtung auf die
Truppenlinie), und das Licht um ihn herum ging aus; draußen,
über der wogenden Menge, tat seine projizierte Gestalt
desgleichen.
    Lao San würgte vor Ärger und Furcht. »Wer… wer
bist du?«
    Xiao Bing lachte. »Er ist der allererste Fan des ›King
of the Cats‹!«
    Einer von Lao Sans Untergebenen sagte: »Wir haben eine
Schaltung hergestellt und es an Kanal Fünf weitergegeben, Boss.
Die ganze Stadt wird es gesehen haben.«
    Lao San fragte wütend: »Wer hat euch gesagt, daß
ihr das tun sollt? Sie werden uns aufspüren.«
    Der Mann, ein pferdegesichtiger Yankee, schnaubte vor Lachen.
»Also ist es Zeit zu gehen. Dennoch großartige
Propaganda.«
    Jemand anderer sagte: »Der Regierungskanal hat gerade zu
senden aufgehört, aber alle kommerziellen Kanäle spielen
verrückt!«
    Lao San spie aus. »Der ›King of the Cats‹ ist tot,
und ich glaube nicht an Geister.«
    Lee grinste glücklich. »Wenn du die Menschen bewegen
willst, mußt du ihnen geben, was sie haben wollen.«
    »Was du ihnen gegeben hast, ist ein Aufstand«, erwiderte
Lao San höhnisch grinsend.
    Es stimmte. Die Menge wogte voran, wirbelte um Gruppen von
Soldaten herum wie das Meer um Felsen. Friedenstauben jagten tief
über den Köpfen, aber sie konnten nicht feuern, ohne die
eigenen Truppen zu treffen. Lastwagen mit gepanzerten Vorderteilen,
über Luftsäcke geschweißt, rasten von der Avenue in
den Platz – aber sie wurden von Zivilisten gefahren, und
Zivilisten bevölkerten ihre Ladeflächen. Sie pflügten
durch die Reihen der Truppen, und Menschen sprangen von den
Ladeflächen herab und rannten in die Menge, rannten in
ausgestreckte Arme. Alle schienen alle anderen zu umarmen.
    »Das war’s«, sagte der Mann, der den
Regierungskanal überwacht hatte. »Die Sechserbande ist
verhaftet worden. Da ist eine Frau mit einer Maschinenpistole im
Studio, die verkündet, daß die Stadt unter marsianischer
Herrschaft steht, auf Anweisung des Kleinen Vogels.« Er deutete
auf Lee. »Und auf deinen Kopf steht ein Preis,
Bursche.«
    Ein kleines Mädchen drückte sich aus der sich
zerstreuenden Menge und lief die Stufen herauf, bückte sich
unter dem WBBM-Mann weg, der versuchte, sie zu fangen. Es war Chen
Yao.
    Sie packte Lees Hand. »Du hast großen Aufruhr
verursacht«, rief sie. »Komm jetzt!«

 
     

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41
     

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    Die Straßen rund um den Platz des Himmlischen Friedens waren
voller Menschen, die von ihm wegeilten. Kleine elektrische Lastwagen
kreuzten unter ihnen, mit wehenden roten und schwarzen Fahnen und
bepackt mit bewaffneten Männern. Es waren die Kader-Milizen von
Xiao Yan, dem Kleinen Vogel, von den Zehntausend Jahren, der den
Augenblick ergriffen und die Mediennetzwerke gekapert hatte. Eine
Säule dichten schwarzen Rauchs stieg in den rosafarbenen Himmel
auf, nahe an der Kuppel über dem Yankee-Viertel.
    »Du folgst mir jetzt«, sagte Chen Yao immer wieder zu
Lee. Sie hielt sich an seiner Hand fest. »Dieser ganze Wahnsinn
ist deine Schuld, Wei Lee.«
    Lee war benommen, weil die Wirkung von Lao Sans Droge
nachließ. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit
Baumwolle ausgestopft worden, und in seinen Gliedmaßen war eine
zittrige, nicht unangenehme Mattigkeit. Er bemerkte kaum, als das
Gewehrfeuer einsetzte.
    Er wurde von Chen Yao durch die sich zerstreuende Menge gezerrt,
im nächsten Augenblick wurde er in eine Ecke des Eingangs zu
einem Apartmentgebäude gedrückt, während rings um ihn
her Menschen kreischten, schoben und zitterten. Lastwagen, auf deren
Ladeflächen orangefarbene Mündungsblitze stotterten, wichen
einander auf den Straßen aus. Dann öffnete jemand die
Türen,

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