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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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einzigartigen Ermittler geschaffen, für einen Mann mit absoluter Befehlsgewalt, der nur ihm unterstellt war. Selbst die Ochrana hatte keinen Zugriff auf ihn. Man nannte ihn das Auge des Zaren. Er konnte weder bestochen, noch gekauft, noch bedroht werden. Ganz egal, wie wohlhabend man war oder über welche Beziehungen man verfügte. Keiner stand über dem Smaragdauge, noch nicht einmal der Zar.«
    Pekkala sah von der Akte auf. »Es reicht«, murmelte er.
    Aber sein Bruder redete einfach weiter.
    »Mein Bruder hat ein vollkommenes Gedächtnis. Er erinnert sich an das Gesicht jeder Person, der er jemals begegnet ist. Er hat den Teufel Grodek hinter Schloss und Riegel gebracht. Er hat die Attentäterin Maria Balka unschädlich gemacht.« Er deutete auf Pekkala. »Er war das Auge des Zaren!«
    »Ich habe nie etwas von ihm gehört«, sagte Kirow.
    »Ich nehme auch nicht an«, sagte Anton, »dass man Köchen die Techniken kriminalistischer Ermittlungsarbeit beibringt.«
    »Küchenchef!«, korrigierte ihn Kirow. »Ich wurde zum Küchenchef ausgebildet, nicht zum Koch.«
    »Da gibt es einen Unterschied?«
    »Den gibt es, wenn man Küchenchef ist … was ich mittlerweile wäre, wenn die Schule nicht geschlossen worden wäre.«
    »Na gut, Genosse Fast-Küchenchef. Sie haben von ihm nie gehört, weil seine Identität nach der Revolution geheim gehalten wurde. Wir wollten nicht, dass sich die Leute den Kopf darüber zerbrachen, was mit dem Auge des Zaren geschehen ist. Es spielt aber auch keine Rolle mehr. Von jetzt an können Sie ihn einfach als das Auge des Roten Zaren bezeichnen.«
    »Es reicht, habe ich gesagt!«, blaffte Pekkala.
    Anton lächelte und atmete langsam aus, befriedigt darüber, dass seine Provokation Wirkung zeigte.
    »Mein Bruder hatte eine Macht, wie es nur einmal in tausend Jahren vorkommt. Aber all das hat er einfach weggeworfen. Ist es nicht so, Bruder?«
    »Scher dich zum Teufel«, sagte Pekkala.

Der Feldwebel nahm sofort Habachtstellung an.
    Die Kadetten schlugen in einer einzigen Bewegung die Hacken zusammen, was sich in der Reithalle wie ein Gewehrschuss anhörte.
    Selbst die Pferde wurden ruhiger, als der Zar in die Halle trat und auf die Männer zuging.
    Es war das erste Mal, dass Pekkala ihn sah. Rekruten in der Ausbildung bekamen ihn im Grunde erst am Tag ihrer offiziellen Aufnahme ins Regiment zu Gesicht, wenn sie in ihren neuen grauen Uniformen an der Romanow-Familie vorbeiparadierten. Bis dahin hielt sich der Zar fern.
    Und doch war er jetzt hier, ohne seine üblichen Leibwächter, ohne Begleitung der Regimentsoffiziere – ein Mann von mittlerer Größe, mit schmalen Schultern und zackigem Schritt, bei dem er immer den einen Fuß genau vor den anderen setzte. Er hatte eine breite, glatte Stirn, sein kurzer Bart war am Kinn so geschnitten, dass er dem Kiefer eine gewisse Kantigkeit verlieh. Der Blick war schwer einzuschätzen, die Miene war weder unfreundlich noch ausgesprochen wohlwollend. In ihr lag etwas irgendwo zwischen Zufriedenheit und dem Wunsch, woanders zu sein.
    Eher eine Maske als ein Gesicht, dachte sich Pekkala.
    Pekkala wusste, dass er dem Zaren nicht in die Augen blicken sollte. Aber er konnte nicht anders. Es war, als würde ein Bild zum Leben erweckt, ein zweidimensionales Bild, das plötzlich in die dritte Dimension der Lebenden vorsprang.
    Der Zar blieb vor dem Feldwebel stehen und salutierte nachlässig.
    Der Feldwebel erwiderte den militärischen Gruß.
    Der Zar wandte sich an Pekkala. »Dein Pferd scheint zu bluten, Kadett.«
    Er hob nicht die Stimme, dennoch hallte sie durch den weiten Raum der Reithalle.
    »Ja, Exzellenz.«
    »Mir scheint, alle Tiere bluten.« Er sah zum Feldwebel. »Warum bluten meine Pferde?«
    »Das gehört zur Ausbildung, Exzellenz«, erwiderte der Feldwebel hastig.
    »Die Pferde sind bereits ausgebildet«, sagte der Zar.
    »Ausbildung der Rekruten, Exzellenz«, sagte der Feldwebel, den Blick fest auf den Boden gerichtet.
    »Aber die Rekruten bluten nicht.« Der Zar strich sich über den Bart. Sein schwerer Siegelring sah aus wie ein goldener Fingerknöchel.
    »Nein, Exzellenz.«
    »Und welche Schwierigkeiten gibt es mit diesem Rekruten?«, fragte der Zar und warf dabei einen Blick auf Pekkala.
    »Er hat sich geweigert zu springen.«
    Der Zar wandte sich an Pekkala. »Stimmt das? Weigerst du dich, das Hindernis zu überqueren?«
    »Nein, Exzellenz. Ich werde es überqueren, aber nicht auf diesem Pferd.«
    Der Zar riss kurz ganz leicht die Augen

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