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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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jetzt zwei Ermittlungen haben. Zum einen die Suche nach den Mördern der Romanows, zum anderen die Suche nach dem Zarewitsch. Vielleicht ist er noch am Leben.«
    Anton zuckte mit den Schultern und genehmigte sich einen Schluck. »Alles ist möglich«, murmelte er.
    »Ich werde dir helfen, Alexejs Leiche zu finden«, sagte Pekkala. »Sollte sich aber herausstellen, dass er noch lebt, musst du dir einen anderen suchen, der ihn dir aufspürt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, ich werde dir nicht Alexej liefern, damit du ihn exekutieren oder lebenslänglich hinter Gitter bringen kannst.«
    »Ich muss dir was sagen.« Anton schob sich den Flachmann in die Tasche. »Vielleicht änderst du dann deine Meinung.«
    »Das bezweifle ich«, erwiderte Pekkala.
    »Hör zu«, sagte Anton. »Seit Jahren jagen wir Gerüchten hinterher, dass manche Romanows noch am Leben wären. Wir sind uns bewusst, dass an diesen Gerüchten etwas dran sein könnte. Genosse Stalin hat die Absicht geäußert, allen aus der unmittelbaren Zarenfamilie, die noch am Leben sind, Amnestie zu gewähren.«
    »Und das soll ich dir glauben?«, sagte Pekkala.
    »Ich habe dir gesagt, dass Moskau nie vorhatte, alle Romanows umzubringen. Der Zar hätte vor Gericht gestellt werden sollen, er wäre für schuldig befunden und, zugegeben, mit ziemlicher Sicherheit hingerichtet worden. Aber keiner hatte jemals vor, die ganze Familie auszulöschen. Sie wären als Verhandlungspfand zu gebrauchen gewesen. Sie waren viel zu wertvoll, um sie einfach umzubringen.«
    »Aber Moskau hat doch schon verkündet, dass die gesamte Familie getötet wurde«, sagte Pekkala. »Warum sollte Stalin eingestehen, dass ihm ein Fehler unterlaufen ist? Es wäre sehr viel naheliegender, den Zarewitsch zu töten, statt zuzugeben, dass er sich getäuscht oder gar gelogen hat.«
    »Vielleicht hatte einer aus der Wachmannschaft Mitleid mit Alexej. Vielleicht wurde er vor der Hinrichtung gerettet und irgendwo versteckt, bis er in Sicherheit gebracht werden konnte. In diesem Fall hätte niemand gelogen. Moskau könnte sagen, man sei nur falsch unterrichtet worden. Wenn Stalin Alexej am Leben lässt, würde das bedeuten, dass wir keine Angst vor unserer Vergangenheit mehr hätten. Die Romanows werden dieses Land nie wieder regieren. Alexej stellt keine Bedrohung mehr dar, und deshalb ist er für uns lebend mehr wert als tot.«
    Kirow hatte das Abschleppseil im Wagen verstaut, er schloss den Kofferraum und kam zu den beiden Brüdern. Er sagte nichts, aber es war klar, dass er ihr Gespräch mit angehört hatte.
    »Was denken Sie?«, fragte Pekkala.
    Kirow schien die Frage zu überraschen. Er dachte kurz darüber nach, bevor er antwortete. »Tot oder lebend, Alexej ist jetzt auch nur noch ein Mensch. Genau wie Sie und ich.«
    »Nichts anderes hatte der Zar für ihn gewollt«, sagte Pekkala. »Und nichts anderes hatte er für sich selbst gewollt.«
    »Und was meinst du dazu?«, fragte Anton und klatschte seinem Bruder auf den Arm.
    Trotz seines instinktiven Misstrauens konnte Pekkala nicht abstreiten, dass das Amnestieangebot ein wichtiges Zeichen war. Nur eine selbstbewusste Regierung war zu einer solchen Geste gegenüber dem früheren Feind imstande. Stalin hatte recht. Die Welt würde aufhorchen.
    Was für eine verführerische Vorstellung, Alexej könnte noch am Leben sein. Pekkala versuchte das Gefühl zu ersticken – er wusste nur allzu gut, wie gefährlich es war, etwas zu sehr zu wollen. Es konnte das Urteilsvermögen trüben. Ihn verletzlich machen. In diesem Moment aber, in dem er noch den bitteren Geruch der Toten auf der Zunge hatte, überwog das Pflichtgefühl gegenüber dem Zarewitsch.
    »Gut«, sagte Pekkala. »Ich werde dir helfen, Alexej zu finden.«
    »Wohin jetzt, Chef?«, fragte Kirow.
    »Nach Wodowenko. In die Irrenanstalt«, sagte Pekkala. »Offensichtlich ist unser Verrückter doch nicht so verrückt, wie alle glauben.«
     
    Mittlerweile war Swerdlowsk in Sichtweite, in der Ferne erhob sich die goldene Zwiebelkuppel der Kirche. Als sie auf die in die Stadt führende Hauptstraße trafen, bogen sie nicht ab, sondern fuhren weiter nach Süden in Richtung Wodowenko und hielten dann in den Außenbezirken der Stadt nur kurz an, um in einem Tanklager Benzin zu requirieren.
    Das Lager bestand aus nicht mehr als einem umzäunten Bereich mit einer Hütte, um die herum verdreckte gelbe Treibstofffässer gelagert waren. Das Tor stand offen, und als der Emka vorfuhr, erschien der

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