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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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Alexej.
    »Ja«, bestätigte Pekkala. Über die Schulter des Zaren sah er, wie Schnee auf das Palastgelände niederging.
    Sie aßen die Mango auf.
    Der Zar wischte die Messerklinge mit dem roten Taschentuch sauber und legte es zurück in die Schreibtischschublade. Als er wieder zu Pekkala aufsah, war von seiner bisherigen Fröhlichkeit nichts mehr zu spüren. Die Probleme der Welt waren wieder in den Fokus gerückt.
    Er hatte bereits angenommen, dass die Berichte über ein Attentat in Petrograd der Wahrheit entsprachen. Und obwohl der Zar nicht wusste, wer umgebracht worden war, so hatte er keinerlei Zweifel, dass es jemanden erwischt hatte, der ihm treu ergeben war. Es war, als könnte er den zerfetzten Leichnam des Ministers Orlow vor sich sehen, der, wie er später erfuhr, dem Anschlag zum Opfer gefallen und dabei so verstümmelt worden war, dass die nackten, weißen Rückenwirbel neben dem Brustkorb gelegen hatten.
    Solche Anschläge häuften sich.
    Gleichgültig, wie viele terroristische Verschwörungen aufgedeckt wurden, immer schien es welche zu geben, die ihnen entgingen.
    »Ich wünsche nicht über die neuesten Unannehmlichkeiten in Petrograd zu reden«, sagte der Zar.
    Es war mehr eine Bitte als ein Befehl. Müde legte er das Gesicht in die Hände und massierte sich mit den Fingerspitzen die geschlossenen Lider. »Wir befassen uns später damit.«
    »Ja, Exzellenz.«
    Alexej, der vom eigentlichen Grund für Pekkalas Besuch nichts wusste, lächelte ihn immer noch an.
    Pekkala zwinkerte ihm zu.
    Alexej zwinkerte zurück.
    Pekkala machte drei Schritte rückwärts, drehte sich um und wollte zur Tür.
    »Pekkala!«, rief der Zar.
    Pekkala blieb stehen, wandte sich erneut um und wartete.
    »Dass Sie aber nur ja immer der bleiben, der Sie sind!«, sagte der Zar.
    »Ja, immer!«, rief Alexej.
    Daraufhin verließ Pekkala das Arbeitszimmer des Zaren, schloss hinter sich die Tür und hörte Alexej noch sagen:
    »Warum lächelt Pekkala nie, Papa?«
    Pekkala wartete kurz. Er wollte die beiden nicht belauschen, aber die Frage hatte ihn überrascht. Er hielt sich nicht für jemanden, der niemals lächelte.
    »Pekkala ist ein ernster Mensch«, erwiderte der Zar. »Er hat einen sehr besonnenen Blick auf die Welt. Für die Spielereien, mit denen wir uns vergnügen, fehlt ihm die Zeit.«
    »Ist er unglücklich?«, fragte Alexej.
    »Nein, ich glaube nicht. Er behält seine Gefühle nur für sich.«
    »Warum hast du ihn zu deinem Sonderermittler bestimmt? Warum nicht irgendeinen anderen Polizisten der Ochrana oder der Gendarmerie?«
    Pekkala sah sich im leeren Korridor um. Aus entfernten Räumen drang Gelächter. Freilich hätte er gehen sollen, aber Alexejs Frage hatte auch er sich schon oft gestellt. Wenn er jetzt nicht die Antwort hörte, würde er sie vermutlich nie mehr erfahren. Also blieb er, wagte kaum zu atmen und strengte sich an, ihre Worte zu verstehen, die durch die dicke Tür gedämpft wurden.
    »Ein Mann wie Pekkala«, sagte der Zar, »erkennt sein eigenes Potenzial nicht. Das war mir klar, als ich ihn zum ersten Mal sah. Verstehst du, Alexej, für Leute wie uns ist es nötig, dass wir mit einem einzigen Blick erkennen, mit wem wir es zu tun haben. Wir müssen wissen, ob wir jemandem trauen dürfen oder uns von ihm fernhalten müssen. Was jemand tut, ist wichtiger als das, was er sagt. Ich bekam mit, wie Pekkala sich weigerte, mit dem Pferd über ein Stacheldrahthindernis zu springen, das ein sadistischer Ausbilder hatte aufbauen lassen. Ich sah, wie er sich benahm, als der Feldwebel ihn zusammenstauchte. Und weißt du, er hat dabei nicht die geringste Angst gezeigt. Wäre ich nicht zufällig anwesend gewesen, hätte der Feldwebel Pekkala wegen Befehlsverweigerung aus dem Dienst entlassen. Und Pekkala wäre es egal gewesen.«
    »Aber warum?«, fragte Alexej. »Wenn es ihm nicht wichtig war, dem Regiment anzugehören …«
    »Doch, doch, es war ihm wichtig, aber nur zu seinen Bedingungen. Die meisten Kadetten hätten einfach das Pferd zuschanden geritten und das getan, was ihnen befohlen wurde.«
    »Aber ist das nicht wichtig?«, fragte Alexej. »Dass man unbedingten Gehorsam zeigt?«
    »Manchmal ja, aber nicht für das, was mir so vorschwebte.«
    »Du meinst, du hast ihn ausgewählt, weil er vielleicht nicht das tut, was ihm befohlen wird?«
    »Alexej, ich habe jemanden gebraucht, der sein Verständnis von richtig und falsch nicht einfach so aufgibt, egal, wie sehr er bedroht oder bestochen wird. Jemandem wie

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