Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
nicht alles einzeln aus der Nase ziehen.«
»Ist ja gut. Er heißt Pedro Alvarez und arbeitet für die CFCA . Das ist die Europäische Fischereiaufsichtsagentur. Die sind dafür verantwortlich, dass die Fangquoten, welche die EU in ihrer grenzenlosen Weisheit festgelegt hat, auch eingehalten werden.«
»Ich dachte, die Fangquoten sind viel zu hoch?«
»Stimmt, aber das heißt nicht, dass sie nicht trotzdem überschritten werden. Die großen Fischereinationen – Spanien und Frankreich – fischen das Meer seit Jahren leer, als ob’s kein Morgen gäbe. Und deshalb ist 2005 diese Aufsichtsagentur in Vigo gegründet worden. Dort sitzen jetzt 50 Männeken mit wenig Budget und noch weniger Befugnissen und versuchen, die räuberischen Fischfangflotten von 27 EU – Ländern in unseren gesamten Gewässern zu kontrollieren. Soweit ich weiß, haben die nicht einmal eigene Schiffe. Was wieder beweist, dass man in Brüssel einen ganz besonderen Sinn für Humor hat.«
»Und was macht dein Bekannter da?«
»Er ist der stellvertretende Direktor der Behörde. Kommt aus Katalonien, war aber lange in Brüssel und spricht ausgezeichnet Französisch. Pedro weiß vermutlich alles, was man über Thunfisch und die damit zusammenhängenden Sauereien wissen kann. Ich werde dich ankündigen, dann kannst du ihn anrufen.«
»Vielen Dank, Pekka.«
»Schon gut. Geh’ lieber den Riesling holen. Ich glaube, die restlichen Flaschen sollte man sicherheitshalber für heute Abend kaltstellen.«
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13
Am Nachmittag wollte Kieffer die spanische Telefonnummer anrufen, die Vatanen ihm gegeben hatte. Er war gerade in sein Büro gegangen, als eine SMS von Valérie eintrudelte: »Mach mal TF 1 an. In Liebe, Val.« Wie alle Luxemburger konnte Kieffer die großen französischen Sender empfangen. Der Koch griff nach der Fernbedienung und schaltete das kleine TV – Gerät auf seinem Schreibtisch ein, auf dem er normalerweise Fußball zu gucken pflegte. Auf TF 1 lief gerade die nachmittägliche Nachrichtensendung. Zu sehen war eine Reporterin, die vor dem Pariser Rathaus stand. Hinter ihr hatten sich Demonstranten versammelt. Kieffer drehte den Ton auf. »…. werden die Forderungen nach einer gründlichen Untersuchung des Vorgangs immer lauter. Seit Jahren gibt es diese Vorwürfe, und die Orsay-Affäre ist nun offenbar der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Oder möglicherweise wäre es besser von jenem Funken zu sprechen, der zur Explosion führt.«
Die Reporterin verschwand und wurde durch eine Einblendung ersetzt, die eine Peugeot-Limousine mit abgedunkelten Scheiben zeigte. Darunter stand: »Porte deVersailles, heute Morgen«. Das Auto fuhr vor einem Kongresszentrum vor. François Allégret stieg aus dem Fond, die Kamera zoomte unerbittlich nahe an ihn heran. Der Côte-d’Azur-Teint schien ihm abhandengekommen zu sein, das Gesicht des Bürgermeisters wirkte im Blitzlicht fahl, seine Miene versteinert. Flankiert von zwei Bodyguards und dem Jüngeren seiner beiden Assistenten bemühte er sich, rasch in dem Gebäude zu verschwinden. Vorher musste er jedoch einen Spießrutenlauf absolvieren, denn zu beiden Seiten des Eingangs standen wütende Gewerkschafter, drohend die Fäuste gen Himmel gereckt, rote Fahnen und Transparente schwenkend. Auf einem stand: »Allégret = Berlusconi«, ein weiteres deklamierte: »Harakiri, s’il vous plaît!«
Kieffer schaltete den Fernseher aus und zündete sich eine Ducal an. Dann griff er zum Telefonhörer und wählte die Nummer des spanischen EU – Manns. Er landete in einem Sekretariat, das ihn jedoch umgehend zu Pedro Alvarez durchstellte.
»Alvarez, guten Tag Herr Kieffer. Pekka hat Sie bereits angekündigt.« Der Koch konnte ein Rauschen in der Leitung hören. Der CFCA – Mann schien irgendwo draußen zu sein. Irgendwo, wo es mächtig windete.
»Guten Tag. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Erwische ich Sie unterwegs?«
»Ja, macht aber nichts. Ich bin in Cartagena und inspiziere im hiesigen Hafen einige Sachen. Bin zurzeit ständig unterwegs, es ist Fangsaison für Thunfisch.«
Dankbar für dieses Stichwort beschloss Kieffer, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. »Ich interessiere mich auch für Thun, genauer gesagt für Bluefin. Und Pekka sagte mir, Sie seien der größte Experte weit und breit.«
»Sehr schmeichelhaft. Ich weiß ein bisschen was darüber, das stimmt. Habe früher selber Thunfisch gefangen. Und jetzt versuche ich, Leuten nachzustellen, die dasselbe tun wie ich
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