Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
afrikanischen Seite, auf libyschem Hoheitsgebiet. Er hat, das zumindest vermuten wir, irgendeinem Gaddafi-Neffen ein paar Koffer voller Euros übergeben und durfte deshalb vor deren Küste, gerade noch innerhalb der libyschen Gewässer, schalten und walten wie er wollte.«
»Klingt halbseiden. Ist es verboten?«
»Natürlich nicht, denn was muss die Libyer die EU – Fangquote interessieren? Wenn dieser portugiesische Taschendieb seine Fische in Tripolis oder Misurata angelandet hätte, wäre das zwar ärgerlich gewesen, aber nicht unser Beritt. Hat er aber nicht. Er hat die Fische aus seinen libyschen Farmen entnehmen lassen, sobald sie groß genug waren – und sie anschließend in seine Zuchtanlagen bei Cartagena gesetzt.«
»Wieso hat er das gemacht? Subventionsbetrug?«
»Das haben unsere Kollegen in Brüssel zunächst auch gedacht, aber so dreist war er dann doch nicht. Es hätte sich auch kaum gelohnt, die paar 100000 Euro, die er aus dem EU – Fischereifonds hätte bekommen können, die macht er in Tokio ja mit drei, vier Fischen. Nein, Silva hatte andere Gründe. Der erste sind die Umweltschutzauflagen. Wenn Sie viele Fische auf engstem Raum halten, werden die anfällig für Krankheiten. Deshalb müssen Sie das Futter mit Antibiotika versetzen. Hormone wären ebenfalls nicht schlecht, so wachsen die Fische schneller und Ihre Ausbeute ist besser. In der Union gibt es natürlich gewisse Auflagen.«
»In Libyen nicht.«
»Zumindest nicht, wenn Ihr Projekt das Wohlwollen des örtlichen Potentaten genießt. Der zweite Punkt ist die Weiterverarbeitung. Ich hatte vorhin bereits erwähnt, dass man die Fische in flüssigen Stickstoff taucht. Dadurch sinkt die Kerntemperatur binnen drei Sekunden auf unter minus 30 Grad Celsius. Für diese Methode braucht man ein bisschen Hightech, das ist in der Wüste da unten schwierig. Hinzu kommt, dass Trebarca Silva vor allem an Japaner verkaufte – und die sind, wie Siesich vorstellen können, pingelig. Die wollen keinen Fisch aus Nordafrika. Die wollen EU – Fisch, nach höchsten Hygiene- und Qualitätsstandards gezüchtet und verarbeitet. Mit seiner Masche hatte Silva aus seiner Sicht die beste aller Welten. Produktion ohne Gängelei durch europäische Behörden und Gesetze, aber ein Endprodukt, das zumindest auf dem Papier höchsten Ansprüchen genügte.«
»Und was ist passiert, als Sie ihn erwischt haben?«
»Genau gesagt waren das nicht wir, sondern die spanische Küstenwache. Was dem guten Trebarca Silva nämlich zum Verhängnis wurde, war der Bürgerkrieg in Libyen. Er wusste plötzlich nicht mehr, wie lange sein Arrangement noch Bestand haben würde, also hat er den Besatz seiner dortigen Ranches peu à peu nach Cartagena rüberschaffen lassen.«
Alvarez kicherte vergnügt. »Das wäre wohl keinem aufgefallen, die spanische Küstenwache interessiert sich nicht allzu sehr für Fischschmuggler. Aber wegen des Bürgerkrieges gab es plötzlich noch eine Menge andere Schiffe mit lebendiger Konterbande im Mittelmeer.«
Kieffer verstand. »Bootsflüchtlinge aus Nordafrika, die nach Europa wollten!«
»So ist es. Wegen denen schoben alle Küstenwachen im Mittelmeer zu der Zeit Sonderschichten, und da ging den Spaniern Silvas Boot gewissermaßen als Beifang ins Netz. Dadurch wurden wir auf die Sache aufmerksam – und schon hatten wir den Kerl am Haken.«
»Und jetzt ist er dran.«
»Nein.«
Kieffer war verblüfft. »Aber, ohne die Rechtslage genau zu kennen – das sind doch Zollvergehen und diverseandere Rechtsbrüche. Wie kommt der Mann damit davon?«
»Nun ja, irgendwelche Nordafrikaner, die aushilfsweise für diesen angesehenen EU – Bürger arbeiteten, haben Fisch geschmuggelt. Ihm nachzuweisen, dass er das wusste, billigte oder gar angeordnet hat, ist schwierig. Es gibt ein Verfahren in Spanien gegen ihn, ich denke allerdings nicht, dass allzu viel dabei herauskommt. Trotzdem ist Silva als Thunhändler mausetot.«
»Solange er unschuldig ist …«
»Er mag geschmuggelt, gefälscht und sonstwie betrogen haben. Aber er hat sich noch einer viel schlimmeren Sünde schuldig gemacht. Wenn man Fische irgendwo aus dem Meer zieht, außerhalb der EU hochpäppelt und sie dann aber in Cartagena auf den Markt wirft, werden sie der spanischen Fangquote zugerechnet – obwohl sie eigentlich gar nicht in europäischen Gewässern gefangen wurden. Silva hat mit seiner Trickserei folglich den spanischen Fischern Bluefin gestohlen, welchen diese nicht mehr fangen
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