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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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früher. Aber was genau wollen Sie denn wissen? Und warum?«
    Kieffer zögerte kurz. Dann sagte er: »Bekannten von mir ist Bluefin zu sensationell niedrigen Preisen angeboten worden. Und ich möchte gerne herausfinden, ob an der Sache etwas faul ist oder ob man den Fisch bedenkenlos kaufen kann.«
    Statt einer Antwort hörte er am anderen Ende der Leitung wieder das starke Rauschen des Windes, diesmal gepaart mit einem tiefen Dröhnen. Es dauerte einen Moment, bis er merkte, dass Pedro Alvarez lachte.
    »Lieber Herr Kieffer, ohne die Details zu kennen lautet die kurze Antwort auf Ihre Frage: Ja, wenn er billig ist, ist vermutlich etwas faul. Thun ist der König der Meere. Die Leute denken bei dem Begriff immer an Weiße Haie oder kapitale Wale, aber Bluefins sind die wahren Wunder der See, unglaubliche Tiere. Sie werden bis zu vier Meter lang und fast 700 Kilo schwer. Sie leben mehrere Jahrzehnte und nichts schwimmt schneller. Ein Thun kann jedes Schiff abhängen, er schafft an die 65 km/h. Er kann ganze Meeresbecken durchqueren, und zwar in wenigen Wochen. Es gibt zwei Bluefinpopulationen, eine im Pazifik und eine im Atlantik. Letztere ist es, mit der ich mich beschäftige.«
    »Und diese Population ist stark geschrumpft, richtig?«
    »Geschrumpft? Es wird bald keine mehr geben. Denn jedes Jahr kommen sie aus dem Atlantik zu uns, ins Mittelmeer – und dort lauern ihnen die Fischer auf.«

    »War das nicht schon immer so?«
    »Sicher. Die ganze Gegend lebt seit Menschengedenken vom Thunfisch, seit Jahrtausenden. Früher war er für die Menschen von Gibraltar bis zur Levante die wichtigste Eiweißquelle. Von solchen Riesenschwärmen können wir heute nur träumen. Seit den späten Siebzigern geht die Population zurück, sie ist um mehr als 80 Prozent eingebrochen. Das Ganze ist eine riesige Tragödie, in vielfacher Hinsicht. Wenn so ein großer Raubfisch verschwindet, bringt das natürlich die gesamte Nahrungskette im Meer durcheinander, mit unabsehbaren biologischen Folgen. Wirtschaftlich ist es ebenfalls ein Desaster – für einen ganzen Bluefin bekommen Sie auf dem Weltmarkt locker 120000 Dollar, dagegen sind alle anderen Fischarten ein Witz. Vom kulturellen Wert des Thunfisches für uns hier am Mittelmeer will ich gar nicht erst anfangen.«
    »Ich habe gehört, dass die Japaner den meisten Thun aufkaufen.«
    »In der Tat sind das die wichtigsten Käufer, das stimmt. Aber das eigentliche Problem ist, dass dieser Fisch so irrsinnig beliebt geworden ist.«
    »Wegen Sushi?«
    »Vor allem wegen Sushi, aber auch deshalb, weil die Menschen viel mehr Fisch essen als noch vor dreißig Jahren. Und das Tolle an Bluefin ist, dass er so dunkelrot und fettreich ist. Der hat richtig Geschmack. Wenn Sie als infarktgefährdeter Westeuropäer eine Alternative zur Rinderlende suchen, ist Thunsteak natürlich perfekt. Wie alt sind Sie, Herr Kieffer?«
    »Noch keine 50.«
    »Ich bin fast 60 und kann mich deshalb an die Zeiterinnern, als außer den Leuten in Südspanien oder Sizilien kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, Thunfischsteak zu essen. Da machte man Katzenfutter draus.«
    »Wie fängt man den Thun denn? Ich habe neulich Bilder von einer Mattanza gesehen. Gibt es die etwa noch?«
    »Ja, aber nur für Touristen. Früher bauten die Fischer vor allem vor Sizilien riesige Labyrinthe aus Netzen und Reusen auf, mehrere Kilometer lang. Die Thunschwärme kommen im Frühjahr ins Mittelmeer und schwimmen zu ihren Laichgründen, die meisten davon sind im Südwesten Italiens, im Tyrrhenischen Meer. Und dann verirren sich die Fische im Labyrinth.«
    »Und enden in der Todeskammer.«
    »Genau. Die Fischer ziehen bei dieser Fangmethode das Netz in der letzten Kammer langsam ein, sodass die Fische an die Oberfläche gedrängt werden. Dann holt man sie einzeln mit einer Art Deckshaken heraus. Darum heißt es Mattanza, weil es eine Orgie aus Blut, Schweiß und Tod ist. Es ist eine irrsinnige Plackerei, da die Biester mehrere hundert Kilo wiegen können. Na ja, heute nicht mehr.«
    »Und wie macht man es heute?«
    Alvarez seufzte. »Heute haben sie große Hightech-Schiffe, sie können die Thunfische mit dem Radar aufspüren und ganze Schwärme auf einmal wegkeschern. Außerdem benutzen sie kleine Flugzeuge, um die Fische aus der Luft aufzuspüren, obwohl das verboten ist. Aber wir können es kaum verhindern. Was dann noch bei den Tonnaras, den traditionellen Thunfischbetrieben in Sizilien, ankommt, sind höchstens ein paar kleine

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