Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
möglicherweise genau das passiert, was Sie für unmöglich halten.« Kieffer erzählte dem EU – Beamten von den Hallen und Kuppeln auf der einsamen Insel.
»Damit hätten wir Beweise. Und jetzt sind Sie am Zug, Pedro.«
Der Vizechef der EU – Fischereiagentur seufzte. »So einfach ist das leider nicht. Können Sie mir zunächst einmal eine Kopie dieser Fotos schicken?«
»Leider nein. Die wollte mir der Programmierer nicht geben, offenbar ist das ein Firmengeheimnis, weil diese Software noch nicht auf dem Markt ist. Ich kann Ihnen höchstens die Koordinaten der Insel mailen. Sie kommen doch damit als staatliche Stelle sicher selbst an entsprechendes Kartenmaterial, oder?«
»Im Prinzip schon, aber vermutlich nicht an so gutes. Wäre jedoch einen Versuch wert. Das kann allerdings etwas dauern. Geben Sie mir die Koordinaten doch einfach mal durch.« Kieffer diktierte sie ihm und hörte, wie sein Gesprächspartner auf einer Computertastatur herumklapperte.
»Dann kann ich nämlich zumindest einmal nachschauen, wo genau … Scheiße!«
»Was ist los?«
»Das ist ja eine Hochseeinsel.«
Kieffer zündete sich eine Zigarette an. »Wie meinen Sie das? Die Isoletta liegt doch im Mittelmeer, nicht im Atlantik.«
»Ich meine es nicht im umgangssprachlichen Sinne, Xavier. Sondern im rechtlichen. Diese Insel unterliegt niemandes Jurisdiktion.«
Kieffer schaute nochmals auf die Karte vor sich. Es gab einen Haufen Staaten, an die das Tyrrhenische Meer angrenzte, unter anderem Italien, Frankreich, Tunesienund Algerien. »Pedro, die Insel liegt doch gar nicht so weit draußen. Müssten dort nicht überall Landesgrenzen im Wasser sein? Ich dachte immer, im Mittelmeer herrscht ziemliches Gedränge.«
»Das ist im Prinzip auch richtig. Ganz früher gab es mal eine Drei-Meilen-Zone. Seit der Seerechtsreform von 1982 ist das anders. Jetzt darf jedes Land zusätzlich zum Nahbereich noch bis zu 24 Seemeilen vor der Küste, also knapp 45 Kilometer, als staatlichen Einflussbereich deklarieren. Das ist die sogenannte Anschlusszone. Darauf folgt dann noch eine Wirtschaftszone von 200 Seemeilen, da geht es vor allem um Bodenschätze und Schürfrechte.«
»Und wo bleibt da im Mittelmeer Platz für internationale Gewässer?«
»Es bleibt reichlich Platz, weil man diese Einflusszonen zwar deklarieren kann, allerdings tut es kaum jemand. Denn das führt zwangsläufig zu Streit mit den Nachbarstaaten, weil sich die Gebiete natürlich überschneiden. Außerdem müsste man sich um seine Einflusszone natürlich auch kümmern. Aber die Wasserpolizei spielen will auf dem größten Binnenmeer der Welt auch keiner. Also bescheiden sich die meisten Länder mit kleineren Zonen, vor allem die Italiener. Mit Ausnahme von vorgelagerten Inseln wie Lampedusa ist denen alles schnuppe, was mehr als zwölf Meilen vor der Küste passiert.«
»Und unsere Insel?«
»Die liegt etwa 50 Kilometer vor Sizilien, und damit praktischerweise außerhalb der bereits erwähnten Anschlusszone. Es nutzt daher nichts, die Carabinieri hinzuschicken, die sind dort gar nicht befugt. Da draußen gilt internationales Seerecht.«
Kieffer bemerkte, dass seine Ducal verglommen war, ohne dass er daran gezogen hatte. Er zündete sich an dem Stummel eine neue an, zog, ließ einen dichten Schwaden entweichen. »Und wie kriegen wir den Kerl jetzt dran? Befindet sich seine Thunranch damit etwa im rechtsfreien Raum?«
»Das nicht. Wenn er dort Gewässer verunreinigt, könnte EU – Umweltrecht greifen. Falls er andere Straftaten begeht, wird es noch komplizierter. Das ist etwas für Seerechtsexperten, ich habe keine Ahnung, was genau es da für eine Handhabe gibt.«
»Pedro, können Sie mir die Telefonnummer des Raís geben?«
»Was haben Sie vor?«
»Ich muss diese Insel mit eigenen Augen sehen.«
»Davon würde ich abraten. Jemand, der das Geld hat, da draußen mitten im Mittelmeer so eine Anlage hochzuziehen, der kann sich bestimmt auch ein paar Wachleute leisten.«
»Möglich. Andererseits glaube ich nicht, dass die dort mit Besuch rechnen. Vielleicht reicht es ja, die Insel ein paar Mal zu umrunden. Ich nehme eine Kamera mit.«
Alvarez schnaufte verächtlich. »Ein Entermesser wäre vermutlich passender. Im Ernst, lassen Sie es, Xavier. Da draußen kann Ihnen niemand helfen. Sie schienen mir ein ganz vernünftiger Kerl zu sein, was ist denn jetzt bloß in Sie gefahren?«
Leise antwortete Kieffer: »Toro ist tot.«
»Oh mein Gott. Wie …«
»Er wurde ermordet. In
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