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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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seinem Restaurant. Vorher hat man ihn gefoltert. Hören Sie Pedro, es tut mir leid, dass ich Sie in diese Sache mit hineingezogen habe. Ichkönnte es verstehen, wenn Sie jetzt auf Tauchstation gehen würden.«
    Einen Moment lang schwieg der Spanier. Dann sagte er: »Spätestens in 24 Stunden bekommen Sie Satellitenfotos der Insel von mir. Passen Sie auf sich auf.«

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26
    Sehnsüchtig betrachtete Kieffer die von Palmen beschattete Piazza, an der sich sein Mietwagen in der Mittagshitze vorbeischob. Er war noch nie in Palermo gewesen, doch schon beim Durchfahren sah er, dass die Stadt genauso faszinierend wirkte, wie man erzählte. Viele hatten hier ihre Spuren hinterlassen, Phönizier, Karthager, Römer und Griechen, später deutsche Kaiser und Bourbonenkönige. Man konnte ihre Anwesenheit spüren, in den Straßen, an den Fassaden, vermutlich auch auf den Speisekarten. Gerne hätte er diese Stadt näher kennengelernt, in Ruhe, auf seine Weise. Kieffer hasste Reiseführer. Eine Stadt war für ihn vor allem ein Gefühl, wie eine fremde Küche, die man erschnuppern und erschmecken musste. Lexikalische Anhäufungen von Sehenswürdigkeiten, abgehandelt in blutleerer Prosa, waren da nutzlos. Wenn er Zeit gehabt hätte, dann wäre er ziellos durch die Gassen der Altstadt geschlendert, hätte sich stundenlang in kleinen Cafés festgesetzt, wäre in abgelegene, nur von Sizilianern frequentierte Trattorias eingedrungen, radebrechend, auf gut Glück die gleichen Dinge bestellend, die sie aßen.

    Stattdessen war er am Flughafen sofort in einen Mietwagen gestiegen und hatte sich auf den Weg gemacht. Es war bereits Mittag und er wollte vor der Abenddämmerung an der Fähre sein. Dazu musste er zunächst hundert Kilometer in westlicher Richtung über die Autostrada fahren, bis in den Küstenort Trapani. Von dort würde er übersetzen zur Insel Favignana, auf der sich Siziliens größte und älteste Tonnara befand, jene Thunfischer-Kooperative, welcher Antoniu Gallo vorstand. Der Raís hatte zwar nicht ablehnend auf sein Ansinnen reagiert, begeistert hatte er jedoch auch nicht geklungen. Kieffer hatte ihm von der Insel erzählt, von der Fabrik und den seltsamen Kuppeln. Erst als er Gallo versprochen hatte, er werde Satellitenfotos mitbringen, war dieser hellhörig geworden. »Kommen Sie. Wenn es mit unserem Fisch zu tun hat, will ich es sehen.« Mehr war aus dem wortkargen Raís nicht herauszubringen gewesen. Der Koch war sich keineswegs sicher, dass der Chef der Tonnarotti ihn tatsächlich zur Isoletta bringen würde. Ein Boot könnte er irgendwo an der Küste sicherlich auch selbst mieten. Aber wer sollte es dann steuern?
    Wie er befürchtet hatte, dauerte die Fahrt nach Trapani ewig. Was auf der Karte wie eine relativ kurze gerade Strecke aussah, entpuppte sich als verschlungene Landstraße, die mehr Baustellen aufwies als das gesamte Großherzogtum. Diese schienen allesamt verlassen und waren nur notdürftig gesichert. Der Wind hatte an vielen Stellen bereits eine Staubschicht über die in der Sonne glühenden Werkzeuge und Maschinen gelegt. Nur an einer Baustelle sah Kieffer drei Bauarbeiter. Sie saßen am Wegesrand unter einem Baum im Schatten, rauchten und aßen Orangen. Es war bereits nach 17 Uhr, als er in Trapani ankam. Ein Schild am Anleger wies darauf hin, dass die nächste Fähre wegen einer technischen Störung erst in zwei Stunden führe. Kieffer parkte seinen Wagen und stieg aus. Als er aus dem klimatisierten Lancia auf die Straße trat, traf ihn die Gluthitze wie ein Hammerschlag. Obwohl es noch nicht einmal Juni war, mussten es über dreißig Grad sein. Schnell begrub er seinen Plan, die von Platanen gesäumte Hafenpromenade bis zu ihrer weit ins Meer hinausragenden Spitze entlang zu spazieren und flüchtete sich stattdessen in ein schattiges kleines Café mit azurblauen Schirmen und verwitterten Holztischchen. Er bestellte Espresso und mutmaßlich sizilianisches Gebäck, mit Puderzucker bestäubte kleine Marzipanküchlein, die mit Pistaziensplittern und kandierten Orangenstückchen verziert waren. Sie waren so süß, dass eines vermutlich ausreichte, um den Zuckerhaushalt eines erwachsenen Mannes aus dem Gleichgewicht zu bringen. Kieffer aß drei. Sie waren derart köstlich, dass er ernsthaft über den Verzehr eines vierten nachdachte, als glücklicherweise sein Handy klingelte. Es war Vatanen.
    »Hallo Pekka.«
    »Hyvää päivää, Leibkoch. Ich habe dieses Marquis Catering abklopfen lassen. Es handelt

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