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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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sind unwahrscheinlich.«
    Kieffer zündete sich noch eine Ducal an. »Ich zweifle nicht an Ihrer Messung, es ist nur … das wäre eine sehr große Halbkugel.«
    »Das wäre es in der Tat. Sagen Sie mir, was die dort damit machen?«
    »Sollte ich es je herausfinden, erfahren Sie es als einer der Ersten.«
    Der Programmierer öffnete ein weiteres Programm mit einem wissenschaftlichen Taschenrechner, dessen Tasten allerlei Formeln und Symbole zeigten – und begann, darauf herumzutippen.
    »Was rechnen Sie da jetzt aus?«
    »Das Volumen dieses Dings, nur mal so aus Spaß. Kugelvolumen, das sind vier Drittel Pi mal Radius hoch drei. Dann halbieren, weil es ja nur eine halbe Portion ist. Macht … 56548,5.«
    »Von was?«
    »Naja, Kubikmeter. Oder falls Sie sich unter Liternmehr vorstellen können: 56 Millionen Liter Fassungsvermögen, plus ein paar Zerquetschte.«
    Kieffer ließ den Mann nun die umliegenden Wasserflächen absuchen. Er hatte erwartet, dort einige jener Schwimmringe vorzufinden, an denen Thunrancher ihre Reusen befestigten. Doch das Meer war ebenso tiefblau wie leer.
    »Meinen Sie, ich könnte davon einen Ausdruck haben?«
    Der Programmierer schüttelte den Kopf. »Ist alles noch ziemlich confidential. Gucken ist okay, aber rausgeben darf ich leider nichts.«
    »Können Sie mir denn wenigstens noch zeigen, seit wann diese Lagerhallen dort stehen?«
    »Das sollte gehen.« Der Hipster spulte zurück und ließ die letzten drei Jahre ablaufen. »Da haben wir es. Sehen Sie diese Ausschachtungen? Baubeginn etwa vor zwei Jahren, die Halle steht seit rund 18 Monaten. Hilft Ihnen das?«
    »Oh ja. Mehr, als Sie denken.«

[Menü]
25
    Kieffer ging in seine Küche und widmete sich einige Zeit dem Grillposten. Zwischendurch half er einem überforderten Gardemanger beim Anrichten der Teller und behielt außerdem den Pass im Auge. Das »Deux Eglises« war an diesem Abend bis auf den letzten Platz ausgebucht, und die Gäste waren offenbar in Spendierlaune. Kaum jemand bestellte einzelne Gerichte, die meisten orderten drei- oder viergängige Menüs, dazu Flaschen teuren Weins. Der Koch fragte sich, ob all die EU – Funktionäre und Fondsmanager nichts von der Wirtschafts- und Finanzkrise mitbekommen hatten, die im Süden des Kontinents wütete und dort ganze Landstriche verheerte. Anscheinend nicht. Ihm sollte es recht sein.
    Als Erstes machte er zehn Teller Hasenpfeffer fertig. Huesenziwwi war eines jener Gerichte, für die das »Deux Eglises« berühmt war. Der zerteilte Hase hatte zunächst drei Tage in einer Marinade aus Rotwein, Öl, Gewürzen und Kräutern gelegen. Nun schmorte er seit fast zwei Stunden in einer Casserole. Kieffer briet für die Garnitur einige Pilze in Speck an. Dann holte er den Hasenaus dem Ofen. Gleich würde er den Bratensaft passieren und Johannisbeergelee, kalte Butter und zerstoßene Lebkuchen hinzufügen.
    Weil die Küche unter Volldampf lief, gelang es ihm das erste Mal seit Tagen, den Thunbaron, Mifune und den Bürgermeister vollständig aus seinem Kopf zu verdrängen und sich voll auf das Jetzt zu konzentrieren: Auf die nächste Poularde, die beim Braten nicht trocken werden durfte. Auf den nächsten Löffel Crème fraîche, der in die Mitte eines Tellers Bouneschlupp gekleckst werden musste, ohne dass etwas danebenging. Auf den nächsten Hachis Parmentier, dessen Käsekruste unter dem Salamandergrill zu bräunen war, ohne dass er schwarz wurde. Dieser zenartige Zustand hielt mehrere Stunden lang an, bis einer seiner Leute mehrere Dessertteller vor ihn an den Abnahmeplatz schob. Die drei Schüsseln waren mit warmer Vanillesoße gefüllt, auf der jeweils ein hochgetürmter Brocken steif geschlagenen Eischnees schwamm. Darüber war etwas Karamellsoße gekleckst worden. Kieffer liebte diesen ebenso schlichten wie ungesunden Nachtisch. Er hatte den Nährwert von Zuckerwatte, die man in flüssige Butter getaucht hatte. Nur Franzosen konnten sich solch ein Gericht ausdenken, und den Namen dazu: île flottante, schwimmende Insel.
    Die Insel. Kieffers Eiland schwamm nicht in crème anglaise, sondern lag irgendwo weit draußen im Mittelmeer. Trebarca Silva hatte auf der Isoletta irgendwelche Hallen bauen lassen. Was genau machte er da? Der Koch hielt es plötzlich nicht mehr aus. Er gab den Marschbefehl für die drei îles flottantes und eilte dann die schmale Steintreppe zu seinem Büro hinunter. Dort setzte er sichan den Schreibtisch und griff sich aus dem Regal einen vergilbten Weltatlas. Er

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