Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
sich um eine S.à.r. l.« Unter dieser Abkürzung firmierten in Frankreich und auch in Luxemburg Gesellschaften mit beschränkter Haftung. »Dein fischiger Senhor Silva taucht in deren Handelsregistereintrag allerdings nicht auf.«
»Sondern?«
»Ein Mann namens Victor Marcasse. Sagt dir der Name etwas?«
»Nein, überhaupt nichts.«
»Dachte ich mir. Monsieur Marcasse ist in gewissenKreisen dennoch kein Unbekannter, wie unsere gewiefte Dokumentarin herausgefunden hat. Er ist einer dieser Leihanzüge, wie ich sie gerne nenne.«
Kieffer zündete sich eine Ducal an und tat, was Vatanen von ihm erwartete: Er lachte freundlich. »Origineller Ausdruck. Übersetzt du ihn mir?«
»Wenn man ein größeres Konglomerat besitzt, dann braucht man immer mal wieder den einen oder anderen Firmenmantel, zum Beispiel, um den Fiskus zu betuppen. Es gibt Kanzleien, die auf so etwas spezialisiert sind, die erledigen das alles für dich. Nach geltendem Recht braucht jede dieser Scheinfirmen natürlich einen ordentlich bestellten Geschäftsführer. Und den für diesen Job erforderlichen Anzugträger kann man mieten.«
»Und das ist Monsieur Marcasse.«
»Richtig. Ein Notar, er ist in der Datenbank auch noch für mehr als hundert andere Firmen als Geschäftsführer gelistet. Alle haben die gleichen Adressen, entweder eine Anwaltskanzlei in Paris oder ein Büro in der Cité de l’Aéroport in Luxemburg.«
»Am Flughafen?«
»Genau. Kennst du den hässlichen alten Bürokomplex mit den verspiegelten Scheiben an der Zufahrtsstraße zum Terminal? Da drin sitzen alle möglichen windigen Investmentfirmen, unter anderem unser Leihanzug. Vielleicht sitzt dort nur eine weitere Briefkastenfirma. Oder eine Firma, die Dienstleistungen für Briefkastenfirmen anbietet. Oder …«
»Danke, Pekka, ich hab’s verstanden. Also kein Beleg, dass es irgendeine Verbindung von Marquis zu Trebarca Silva gibt.«
»Nein. Allerdings auch keiner, dass dem nicht so ist.«
»Das wird dem Bürgermeister kaum reichen.«
»Vermutlich nicht. Aber du solltest, statt darüber zu grübeln, lieber heute Abend mit mir essen gehen.«
»Daraus wird leider nichts, Pekka. Ich bin in Sizilien.« Der Finne blieb einen Moment stumm, was eher selten der Fall war. Kieffer erzählte ihm von den Satellitenkarten, die er auf dem Computer seines technisch versierten Gasts gesehen hatte.
»Und er hat dir keinen Ausdruck geben wollen? Das ist ärgerlich.«
»Es ist nicht so schlimm, denn Alvarez hat ebenfalls Zugriff auf Satellitenfotos. Bevor ich losgefahren bin, hat er mir ein Kurierpaket geschickt, mit Farbausdrucken. Darauf sind alle Gebäude zu erkennen. Seine Karten sind nicht ganz so gut wie die anderen, aber hoffentlich gut genug, um den Raís zu überzeugen, dass er mir hilft.«
»Aha. Und dann zieht Sonny Kieffer, Luxemburgs einziger Küchenmeisterdetektiv, die Sonnenbrille auf und krempelt das Seidenjackett hoch. So gewappnet jagt er alleine mit dem Schnellboot dorthin und schleicht sich ins geheime Labor der Thunmafia? Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Nein, Pekka. Ich werde versuchen, diesen Tonnara-Chef zu überreden, dass er mit mir da rausfährt. Auf den Satellitenfotos hat man ja nur eine Draufsicht. Vielleicht kann man an der Insel vorbeifahren und sich die Gebäude mit dem Feldstecher anschauen – Fotos machen, das umliegende Meer nach Zuchtreusen absuchen. Damit könnte ich zumindest beweisen, dass Trebarca Silva illegal Thunfisch züchtet.«
»Dein Bürgermeister wird bestimmt ausflippen vor Freude, und der Staatsanwalt erst recht. Denn wer Thunfisch züchtet, der bringt auch japanische Sushichefs um, der Zusammenhang erscheint zwingend.«
»Pekka …«
»Du verrennst dich gerade in irgendwas, du moselfränkischer Dickschädel. Wenn du immer noch Fußballspieler wärst, dann würde ich sagen: zuviel Beinarbeit, zu wenig taktische Raffinesse. Was erhoffst du dir von diesem Ausflug? Außer einer gesünderen Gesichtsfarbe, meine ich.«
»Ich weiß es nicht. Es ist nur mein Bauchgefühl, aber das sagt mir, dass dort vielleicht etwas ist. Ich muss jetzt Schluss machen, ich kann die Fähre schon sehen.«
»Versprich mir wenigstens, dass du aufpasst.«
»Ja, Papa Pekka.«
»Sturkopf«, entgegnete Vatanen. Dann legte er auf. Kieffer zahlte die Rechnung und begab sich wieder zum Parkplatz. Eine halbe Stunde später saß er auf dem mit Menschen gefüllten Vorderdeck und schaute auf die langsam näherrückende Insel. Favignana war eine der drei
Weitere Kostenlose Bücher