Rotes Haar - Herz in Gefahr!
scheinbar zufälliges Gespräch verwickelt. Weißt du, wie nahe er mir dabei gekommen ist? Und das kann kein Zufall sein. Er muss mich beobachtet haben und mir anschließend direkt ins Café gefolgt sein. Dort hat er sich bewusst hinter mir in der Schlange eingereiht. Oh mein Gott, ich darf gar nicht daran denken!“ Das Zittern wurde stärker, als ihr die ganze Tragweite dieses merkwürdigen Vorfalls bewusst wurde.
Gideon war so sehr an Joeys freche, vorlaute Art gewöhnt, mit der sie sich durch ihr berufliches und privates Leben schlug, dass er sie eine Weile nur fassungslos betrachten konnte und ihr eine Antwort schuldig blieb. Erst als sich ihre grünen Augen mit Tränen füllten, die ungehindert über ihre zarten Wangen strömten, wurde er aus seiner Trance gerissen.
„Ach, Joey!“ Mit einem kummervollen Laut kam er auf sie zu und schlang seine Arme um ihre bebenden Schultern. „Es tut mir so leid.“
Ängstlich klammerte sie sich an ihm fest. Noch nie hatte sie dieses furchtbare Gefühl gehabt, ihr Leben nicht mehr kontrollieren zu können. Joey fühlte sich ernstlich bedroht. Wie lange spionierte ihr Richard Newman schon nach? Erst eine Woche? Seit sie bei den St. Claires angefangen hatte zu arbeiten? Oder schon davor? Vielleicht stieg er ihr bereits seit Wochen nach und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um …
„Lass nicht zu, dass deine Fantasie mit dir durchgeht, Joey!“, warnte Gideon sie eindringlich, weil er die Angst in ihren Augen las.
„Wenigstens habe ich Fantasie!“, gab sie bissig zurück und machte sich von ihm frei.
Sein Mund wirkte hart und kompromisslos, als ihm einfiel, wie rüde Joey ihn am Montag wegen seiner Steifheit kritisiert hatte. „Mich zu beleidigen, hilft dir jetzt auch nicht weiter.“
„Nichts hilft mir in dieser furchtbaren Situation weiter!“
„Ich kümmere mich darum.“
„Wie denn?“, wollte sie wissen. „Was willst du unternehmen, Gideon?“ Ihre Stimme klang ungewohnt hoch. „Stimmt, du bist ja einer von den unbesiegbaren St. Claires, aber dennoch …“
„Schluss jetzt!“, unterbrach er sie streng, und sofort hielt sie den Atem an.
Es dauerte fast eine Minute, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte und sich zutraute, weiterzusprechen.
„Tut mir leid, ehrlich.“ Sie stöhnte auf. „Anstatt dich zu beschimpfen, sollte ich die Schuld lieber bei mir suchen. Außerdem habe ich noch Glück gehabt. Immerhin war es bei mir nur ein Reifen und nicht zwei, wie bei dir, was wohl bedeutet, dass er mich nur halb so viel hasst wie dich.“
„Schön, dass du wenigstens deinen Humor nicht verloren hast“, bemerkte er trocken.
„So bin ich halt.“ Hastig wischte sie sich über die Augen und schluckte ein paarmal heftig. „Immer einen unpassenden Scherz auf Lager …“
Aber Gideon ließ sich von ihrer gespielten Zuversicht nicht täuschen. Mittlerweile hatte er einige unerwartete Charakterzüge an Joey entdeckt, die vor allem eine Tatsache bewiesen: Unter ihrer harten Schale war sie ebenso weich und verletzlich wie Stephanie.
Immerhin stellte sie sogar eine kitschige Drachenfigur auf ihren Schreibtisch, nur weil sie diese von ihrer Zwillingsschwester bekommen hatte. Als Glücksbringer, wie sie behauptete. Und sie besaß eine Stimme, um die ein Engel sie beneiden würde, wollte ihr Talent aber trotzdem nicht professionell ausleben. Auch dafür gab es mit Sicherheit einen sentimentalen Grund.
Joey McKinleys Persönlichkeit war ungeheuer komplex und faszinierender als bei jeder anderen Frau, die Gideon kannte.
Dieser Umstand ließ alle Alarmglocken gleichzeitig schrillen. Der Ausdruck ernsthafter Verstörung auf ihrem wunderschönen Gesicht warnte ihn davor, seinen inneren Abstand aufzugeben. Zwanzig Jahre lang war es ihm gelungen, bis auf seine engste Familie niemanden ernsthaft an sich heranzulassen. Und nun drängelte sich diese ungewöhnliche junge Frau in seine Schutzburg.
Schon als Zehnjähriger, anlässlich der Scheidung seiner Eltern, lernte Gideon, wie schwierig und schmerzhaft sich zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln konnten. Ganz besonders, sobald Liebe im Spiel war. Seine Mutter Molly hatte ihren Mann Alexander aufrichtig geliebt. Doch nach dreizehn Ehejahren und drei gemeinsamen Kindern musste sie erfahren, dass Alexander St. Claire sein Herz schon seit zwanzig Jahren an eine andere Frau verloren hatte. Für diese Geliebte verließ er seine Frau und seine Söhne.
Zwar gelang es Molly endlich dieses schwere Schicksal
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