Rotes Haar - Herz in Gefahr!
wussten deshalb auch nicht, dass Lucan der gegenwärtige Duke of Stourbridge war.
Anstatt ihr zu antworten, sah Gideon auf seine goldene Armbanduhr. „Entschuldige, aber ich kann jetzt nicht noch mehr Zeit auf fruchtlose Themen verschwenden. Ich habe um neun einen Termin.“
Ihr Lächeln wurde noch strahlender. „Meinst du damit etwa die obligatorische Willkommensrede? Du weißt schon: Wir freuen uns, Sie hier bei uns begrüßen zu dürfen, und falls Sie irgendwelche Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen … Bla, bla, bla. Oder war es das gerade eben schon?“
Ihm fehlten die Worte, und er musste sich erst einmal sammeln, bevor er wieder sprechen konnte. „Mittlerweile dürfte dir aufgegangen sein, wie ich zu der Tatsache stehe, dass du hier arbeiten wirst.“
„Ja, ja, das Leben kann grausam sein.“
Ein letztes frustriertes Kopfschütteln, dann machte Gideon kehrt und verließ das Büro. Aber nicht, ohne die Tür geräuschvoll hinter sich zuzuwerfen.
Seufzend atmete Joey aus. Die Unterhaltung mit Gideon hatte sie mehr angestrengt, als ihr bewusst gewesen war. Das lag in erster Linie an den widersprüchlichen Emotionen, die er in ihr weckte. Nun konnte sie ihn nicht länger als gefühlskalten Menschen abstempeln, und obendrein wurde ihr seine Attraktivität mehr und mehr bewusst – ob sie wollte oder nicht.
Auch Joey hatte sich über die Jahre eine professionelle Haltung zugelegt, die ihr als schützende Fassade diente, sowohl bei juristischen Verhandlungen wie auch im Privatleben. Sie musste sich als Frau in einer Männerdomäne beweisen, und da war diese Strategie von existenzieller Wichtigkeit. Zu oft war ihr in beruflicher Hinsicht ein Mann vorgezogen worden, deshalb schlug sie ihre Kollegen inzwischen mit ihren eigenen Waffen. Das bedeutete, beruflich argumentierte sie häufig wie ein Mann und nicht wie eine Frau.
Als sie vor zwei Jahren zu einem Vorstellungsgespräch bei Pickard, Pickard und Wright eingeladen wurde, kaufte sie sich eine Reihe von konservativen Hosenanzügen und Kostümen. Die Haare trug Joey meistens zu einem lockeren Knoten gebunden und gewöhnte sich einen pragmatischen, knappen Tonfall an. Die vorgenommen Veränderungen trugen auf jeden Fall mit dazu bei, die Anstellung in der renommierten Anwaltskanzlei zu erhalten.
Nach diesem ersten Erfolg lockerte sie ihre Einstellung und stellte fest, dass etwas Weiblichkeit, ein tiefer Ausschnitt und hohe Absätze beizeiten ebenso wirkungsvoll einzusetzen waren wie eine aggressive Stimmlage und ein neutrales Erscheinungsbild. Kleider machten nun einmal Leute, und mit diesem Umstand lernte sie zu spielen.
Nur bei Gideon St. Claire gelang es ihr nicht, den richtigen Mittelweg auszuloten.
„Ich mache Pause und gehe unten ins Café, um einen heißen Kakao zu trinken. Soll ich dir etwas mitbringen?“
Irritiert sah Gideon von seinem Computerbildschirm hoch und starrte Joey an, die in seiner offenen Bürotür stand und auf eine Antwort wartete. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, vorher anzuklopfen.
„Bei Lexie im Zimmer steht doch eine Kaffeemaschine, oder?“, erkundigte er sich.
„Ich trinke keinen Kaffee.“
„Auf dem Flur steht ein Getränkeautomat, und im achten Stock befindet sich eine firmeneigene Kantine.“ Er hätte wissen sollen, dass Joey sich keine zwei Stunden am Stück ruhig verhalten und arbeiten würde. „Bestimmt bekommst du dort auch eine heiße Schokolade.“
„Aber nicht mit einer Haube aus frisch geschlagener Sahne, und ich bekomme sie auch nicht von einem zwanzigjährigen Prachtkerl mit wilder blonder Mähne serviert.“
Mit gerunzelter Stirn führte Gideon sich die drei etwas plumpen Damen mittleren Alters vor Augen, die in der Kantine bedienten. „Da ist was dran“, murmelte er.
„Siehst du?“
„Und dieser ominöse Prachtkerl, von dem du sprichst, arbeitet tatsächlich unten im Café?“, hakte Gideon nach.
„Oh, ja.“ Sie strahlte. „Also, möchtest du nun etwas? Irgendetwas zu trinken? Einen Muffin vielleicht? Oder eine Pastete?“
„Nein, danke.“
„Aber es gibt dort ganz tolle Limonenmuffins.“
„Wenn ich Nein sage, meine ich auch Nein.“ Ihre unbeschwerte Art begann an seinen Nerven zu zerren. Wollte er einen Kaffee trinken, bediente er sich aus der Edelstahl-Thermoskanne, die auf einer Anrichte bereitstand. Und falls er Hunger bekam, rief er seine Sekretärin an. Oder vielmehr Lucans Sekretärin, nachdem seine eigene ja nun Joey zur Verfügung stand. Und
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