Rotes Leben (German Edition)
in der Lage war, alles wieder ins Lot zu bringen.
Ich schüttelte den Kopf. Erst einmal etwas essen, danach würde ich den Laptop auspacken und versuchen, meine frischen Eindrücke über dieses Gemäuer in Worte zu fassen.
Mit dem neuen Roman würde ich mein Leben wieder in den Griff bekommen. Geld bedeutete Sicherheit und diese erleichtere das Leben ungemein.
Als ich das Zimmer verließ, um mich in der Empfangshalle nach dem Speiseraum zu erkundigen, fiel mein Blick als Erstes auf das Bild.
Irritiert blieb ich stehen. Der junge Mann stand nicht mehr, sondern saß entspannt auf einer Bank im Park. Die langen Beine weit von sich gestreckt. Die Kleidung wirkte modern, nicht mehr altertümlich. Das schwarze Hemd war, wie in meinem Traum, bis zum Bauch offen. Er sah von da oben versonnen auf mich hinab. Das konnte doch wohl nicht wahr sein.
Ich zweifelte an meinem Geisteszustand. An diesem Ort hatte ich das Gefühl, als hätte ich Drogen genommen. Das Bild konnte sich nicht verändern, also wie war das möglich?
Schnell schritt ich den Gang hinunter und registrierte, dass die anderen Bilder der Ahnengalerie unverändert waren. Fast jedenfalls. Einige schienen ein spöttisches Grinsen im Gesicht zu haben. Machten sich anscheinend lustig über mich. Was ging hier vor?
Das erneute Knurren meines Magens lenkte mich ab. Vermutlich war ich unterzuckert und bildete mir deshalb komische Sachen ein. Vielleicht hatte ich bei meiner Ankunft auch nur nicht richtig hingeguckt.
In der Eingangshalle angekommen, folgte ich einfach meiner Nase und fand so zuverlässig den Speisesaal. Das Hotel schien nicht gerade ausgebucht, denn nur fünf von ungefähr dreißig Tischen waren besetzt.
Ich suchte mir einen Platz in einer Nische. Dort gab es keine Fenster und man konnte den ganzen Raum überblicken, ohne selbst gesehen zu werden.
Der Buckelige schien hier Mädchen für alles zu sein, denn er kam an meinen Tisch gehumpelt und reichte mir die Speisekarte. Hoffentlich war er nicht auch noch für das Kochen zuständig.
Ich entschied mich für einen trockenen Rosé, Schweinemedaillons, Rosmarinkartoffeln und Möhrengemüse. Zum Nachtisch gönnte ich mir Apfelstrudel mit Vanilleeis.
Der Koch, wer immer es auch sein mochte, hatte begnadete Hände und Geschmacksknospen. Was Besseres hatte ich noch nie zu mir genommen. Nur mit Mühe konnte ich einen lauten Rülpser unterdrücken. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass es meine letzte Mahlzeit war, hätte ich sie sicherlich noch mehr genossen.
Ich beschloss, noch einen Absacker im Eingangsbereich zu nehmen und mich dann endgültig schlafen zu legen. Außer mir hielt sich niemand mehr hier auf und so saß ich allein vor dem Kamin mit einem Scotch in der Hand.
Trotz des guten Essens zeigte der Alkohol schnell Wirkung und machte meinen Kopf blutleer. Es wurde wirklich Zeit für mich. Ich leerte das Glas und schlenderte zurück zu meinem Zimmer.
Die Personen auf den Bildern schienen jetzt eher selbstgefällig in sich hinein zu lachen. Einige, so meinte ich hatten etwas anderes an als vorher, aber sicher war ich mir nicht.
An meinem Zimmer wagte ich einen Blick zu dem jungen Mann hinauf. Er stand jetzt wieder. Lässig an einen steinernen Brunnen gelehnt.
Sein Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und einige Strähnen hatten sich daraus gelöst, hingen ihm ins Gesicht. Ich war wirklich versucht, sie ihm hinter sein Ohr zu klemmen. Er lächelte mich an. Streckte mir eine Hand entgegen, lud mich ein mit ihm zu gehen.
Ich schmunzelte als ich, nur so zum Spaß, meine Hand dem Bild entgegenstreckte. Aber wie erschrak ich, als der junge Mann sich bewegte, sich vom Brunnen löste und mir entgegenkam.
Das konnte nicht sein, das war unmöglich!
Absolut unmöglich!
Mein Blut
Er sah mich an, direkt in meine Augen und dann, ich dachte nun vollkommen auf LSD zu sein, kam seine Hand aus dem Bild heraus. So weit, dass sie gerade eben meine Fingerspitzen berührte.
Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Ich erschrak fürchterlich, widerstand aber dem Impuls meine Hand wegzuziehen.
Seine Finger schoben sich weiter an meinen entlang, und obwohl er den Mund nicht bewegte, konnte ich deutlich sein leises, eindringliches Flüstern vernehmen.
"Komm mit mir Julian, komm ... nimm meine Hand ...", die Stimme war angenehm.
Ihre Sanftheit ließ kleine Schauer meinen Rücken hinunter laufen. Sie hatte eine magische Wirkung und schließlich ergriff ich die dargebotene Hand und er zog mich hinauf.
Hinein in das Bild,
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