Rotes Leben (German Edition)
Ich musste mich irren. Ungläubig schüttelte ich den Kopf und ärgerte mich über mich selbst. Kaum befand ich mich in einem Schloss, da sah ich auch schon Geister, einfach lächerlich.
Ich sah mich um, holte Luft und warf mich auf das einladend wirkende Bett. Tief versank mein Körper in den Kissen und augenblicklich umfing mich bleierne Müdigkeit. Ich schloss die Augen und ließ mich in die wohlige Mattigkeit fallen.
Das Rascheln der Kissen klang wie leise Stimmen, die mich in den Schlaf sangen. Schon bald waren meine Lider so schwer, dass ich sie unmöglich öffnen konnte. Meine Arme und Beine schienen tiefer in die Matratze einzusinken. Ich kämpfte nicht mehr gegen den Schlaf, sondern ergab mich den säuselnden Stimmen.
Bilder bahnten sich einen Weg vor mein geistiges Auge.
Ich befand mich in der Parkanlage und Dunkelheit umgab mich. Langsam gewöhnten sich meine Augen daran und ich konnte schemenhaft Bäume und Statuen erkennen. Alles war in Nebel gehüllt und wirkte gespenstisch.
Angst packte mich und lähmte meine Glieder. Ich dachte an die dämonischen Figuren und fühlte mich augenblicklich beobachtet. Dann spürte ich die Gegenwart von etwas oder jemandem. Deutlich, sehr deutlich, obwohl ich niemanden sehen konnte.
Die neue Empfindung schreckte mich nicht, nein eher kam sie mir vertraut vor, beruhigte mich. Ich sah mich um, und plötzlich riss die Nebelwand auf und eine anmutige Gestalt kam auf mich zu.
Erst schemenhaft, aber dann immer deutlicher, erkannte ich an dem stolzen, aristokratisch wirkenden Gang, dass es der junge Mann war, den ich auf dem Bild vor meinem Zimmer bewundert hatte. Auch wenn er diesmal nicht in mittelalterlicher Kleidung steckte.
Er schien aufgeknöpfte Hemden zu bevorzugen denn das eng anliegende Schwarze, welches er zu einer ebenso engen, schwarzen Jeans trug, stand bis zum Bauch offen. Seine milchig weiße Haut schimmerte in der Dunkelheit.
Ich konnte den Blick nicht von seinem schönen Gesicht abwenden. Die Haare trug er kürzer, sie reichten nicht mehr ganz bis zur Schulter. Er strich sie sich kurz aus den Augen und erlaubte mir einen Blick in die fast schwarzen Tiefen. Immer näher kam er, schien fast zu gleiten, bis er vor mir stand. Nur eine Armlänge von mir entfernt hielt er an.
Er sprach nicht und dennoch hatte ich das Gefühl, wir würden eine intensive Unterhaltung führen. Der Blick seiner Augen führte mich durch sein Leben und zeigte ihm das meine.
Seine Hand legte sich auf meine Schulter, sanft aber bestimmt, und veranlasste mich ihn zu begleiten, rutschte und ruhte dann auf meinem Rücken, während wir nebeneinander durch den Park gingen.
Der Nebel teilte sich vor uns und wir schritten hindurch. An einer Bank blieb er stehen. Wir setzten uns und der junge Mann legte den Arm um mich, so als wäre es das Normalste auf der Welt. Und ich? Ich ließ meinen Kopf an seine Schulter sinken, genoss diese unerwartete Zweisamkeit, die vertraute Stimmung, die zwischen uns herrschte.
Vor fünf Minuten waren wir das erste Mal aufeinandergetroffen und doch schien ich ihn mein ganzes Leben lang bereits gekannt zu haben, oder eher nach ihm gesucht zu haben.
Die Statue, die vor uns aus dem Nebel stak, schien uns neugierig anzuschauen und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Er griff nach meiner Hand, spielte mit meinen Fingern und verschränkte sie schließlich mit seinen. So saßen wir da, waren uns selbst genug und genossen die Nähe des anderen.
Es war ein schöner Traum, der mich gefangen hielt und am liebsten wollte ich nie wieder aufwachen, aber das leise klingen einer Glocke beendete meinen Schlaf. Zuerst wusste ich nicht, wo ich mich befand, doch langsam kehrte die Erinnerung zurück.
Nur mit Mühe schaffte ich es, mich aus dem Bett zu erheben. Noch leicht benommen wankte ich zu meinem Koffer, um ihn auszupacken. Ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr ließ mich erschrocken zusammenfahren. Ich hatte doch tatsächlich zwei Stunden geschlafen.
Als mein Magen laut und vernehmlich knurrte, fiel mir das leise Klingeln wieder ein. Das war bestimmt das Zeichen fürs Abendessen. Der Koffer musste warten, auspacken konnte ich später noch.
In dem kleinen, zu meinem Zimmer gehörenden Bad wusch ich mich mit eiskaltem Wasser, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Der Spiegel zeigte mir einen verschlafen wirkenden jungen Mann, der gerade eine tiefe Krise durchmachte. Nichts lief so, wie er es sollte, doch am meisten ärgerte er sich über sich selbst, weil es im Moment nicht
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