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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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etwas fand.
    Und dann gab es den Nacken der Frau und den Hinterkopf.
    Der Mörder hatte geatmet.
    Bo Lundin wusste nicht, ob er Spuren sichern würde, aber er hoffte es.
    Er arbeitete mit Mundschutz und in einem sterilen Einwegoverall.

    Sie saßen auf dem Balkon und schauten in den Himmel über den Dächern, der immer noch sehr blau war.
    Winter nahm einen Schluck Weißwein, ein Riesling aus Turckheim. Er war weich auf der Zunge, fast wie Wasser, das an einem stillen Abend ans Ufer rollt. Es war ein stiller Abend. Auf den Straßen hatte die Nacht noch nicht begonnen.
    Plötzlich hörte er in der Wohnung einen Schrei.
    »Sie träumt wieder«, sagte Angela.
    »Ich geh zu ihr.«
    Schon im Flur hörte er Weinen.
    Lilly saß in ihrem kleinen Bett, Elsa war nicht aufgewacht.
    »Ist ja gut, meine Maus.« Er hob Lilly hoch und spürte die Angst in ihrem Körper. Was mochte sie geträumt haben? Was gab es in ihrem Unterbewusstsein, das die Unruhe, den Schrecken ausgelöst hatte? Sie war noch keine zwei. Seine eigenen Träume verstand er. Manchmal hieß er sie willkommen. Wie schrecklich sie auch waren, sie konnten sich niemals mit der Wirklichkeit messen. Wie dieser Albtraum von heute. Hör bloß auf. Denk nicht ausgerechnet jetzt dran. Wiege nur die Kleine wieder in den Schlaf. Schaukeln. Sie schlief fast. Jetzt, jetzt schlief sie. Ja. Ich spüre das kleine Herz. Es hat sich beruhigt.
    Er legte das Kind wieder ins Bett und deckte es vorsichtig mit einem Laken zu, für eine Decke war es zu warm. In der Altbauwohnung staute sich tagsüber die Hitze und nachts legte sie sich wie eine Pferdedecke über alles. Geöffnete Fenster halfen nichts, da es keinen Zug, keinen Wind gab. Seit Wochen hatte sich kein Windhauch gerührt. Es war, als würde jemand die Luft anhalten. Der Gedanke war ihm heute durch den Kopf gegangen, als er das reglose Laubwerk am Tatort gesehen hatte. Das Laubwerk am Tatort, klang fast wie ein Titel, vielleicht für seine Mordfibel. Sie begann mit dem heutigen Tag, und sie würde dick werden. Sie war schon dick, vier Morde in der Morgendämmerung. Wenn er glaubte, es könnten noch mehr werden, war das Spekulation, aber nicht nur. Im Lauf der Jahre hatte er gelernt, unkontrollierten Gedanken zu lauschen. Diesmal schien er nicht zuhören zu wollen.
    »Jetzt schläft sie«, sagte er, als er wieder auf den Balkon trat. Er setzte sich auf den Rattansessel und nahm sein Glas. »Vielleicht ist es die Umstellung auf ein anderes Land und eine andere Kultur.«
    »Und ein anderes Wetter«, sagte Angela. »Hier ist es wärmer als im südlichen Spanien.«
    »Stimmt.«
    »Kannst du mir bitte etwas Wasser holen?« Sie hielt ihm ihr leeres Glas hin.
    Er erhob sich wieder, nahm die Karaffe, ging in die Küche und ließ so lange Wasser laufen, bis es kalt war. Dann gab er noch ein paar Eiswürfel in die Karaffe.
    »Danke«, sagte sie, als er zurückkam und ihr Wasser einschenkte. Er setzte sich. In der Weinflasche war noch ein Rest. Den würde er trinken und dann nichts mehr an diesem Abend. Heute Abend kein Whisky. Niemand wusste, was morgen dort draußen passieren würde oder heute Nacht oder in der nächsten Nacht.
    »Möchtest du darüber sprechen?«, fragte Angela nach einer Weile.
    »Ich glaub, das muss ich.«
    »Sag Bescheid, wenn wir nicht mehr darüber reden sollen.«
    »Es geht um diesen Jungen«, antwortete er.
    »Glaubst du, er ist von Bedeutung?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Er hat mich mit so einem besonderen Blick angeschaut.«
    »Warum ist er dann nicht zu dir gekommen?«
    »Vielleicht fühlte er sich von jemand anderem beobachtet.«
    »Himmel.«
    »Ich hatte den Eindruck.«
    »Dass er sich beobachtet fühlte?«
    »Ja, oder er hat es sich eingebildet.«
    »Warum?«
    »Weil er etwas gesehen hat. Er hat die Morde gesehen.«
    »Was hatte er dort zu suchen? Warum war er dort?«
    Herr im Himmel, Angela ist wie Bertil, dachte er. Wenn Bertil in Pension geht, hab ich immer noch Angela.
    »War vielleicht mit dem Fahrrad unterwegs, war draußen und … ich weiß es nicht.«
    »Allein in der Morgendämmerung? Wie alt ist er? Zehn, zwölf?«
    »Irgendwie um den Dreh«, sagte Winter, »nicht älter.«
    »Und er durfte nachts allein herumfahren?« Winter zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht war er gar nicht allein«, fuhr Angela fort.
    »Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen.«
    »War er … mit den Tätern zusammen?«
    »Schon möglich«, sagte Winter.
    »Wie willst du ihn finden?«
    »Wir überprüfen alle, die
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