Rotglut - Kriminalroman
Fußball-WM gewettet. Junge, das vergesse ich nicht so schnell. Und zwei Wochen vorher haben wir noch alle miteinander Rüdigers 60. Geburtstag gefeiert und dann passiert so was! Es war so eine schöne Feier. Warte mal, jeder der geladenen Gäste bekam später ein Fotoalbum mit Bildern von der Feier.«
Peter schaute seinen Großvater fragend an. »Echt? Das ist ja eine schöne Idee.«
Mühsam stemmte sich der alte Mann aus seinem Stuhl. »Ja, da hat sich Rüdiger nicht lumpen lassen. Aber es war schon ein merkwürdiger Augenblick, als das Paket mit dem Album kam. Rüdiger hatte die Fotoalben direkt bei ›Photo-Becher‹ für uns in Auftrag gegeben. Und als wir es alle bekommen hatten, war er vielleicht schon tot. Nun ja, ich bringe es dir.«
»Soll ich nicht lieber das Fotoalbum holen?«, bot Peter an.
Jakob lächelte. »Schon gut, mein Junge, das schaff ich gerade noch allein. Außerdem soll man sich ja bewegen, predigen einem die Ärzte permanent.«
Es dauerte nicht lange und der alte Mann kehrte mit einem dicken, in Leder gebundenen Album zurück. Schwer ließ er sich in den Stuhl fallen und schlug das Buch auf. Er blätterte einige Seiten durch, dann stoppte er. »Hier«, er reichte das Fotoalbum seinem Enkel, »das ist der Stehempfang bei Rosenberg im Garten. Champagner, kleine Häppchen, du weißt schon. Alles vom Feinsten, da war Rüdiger nicht geizig.«
Peter schob das Schachbrett beiseite, legte das Album auf den Tisch und betrachtete die Bilder.
Jakob Dahnken beugte sich nach vorn, um die Fotos besser sehen zu können. Dann tippte er auf eines und sagte: »Sieh mal, da bin ich und deine Großmutter Inge. Ach, warum musste sie nur so früh von mir gehen?« Für einige Sekunden gedachte er seiner verstorbenen Frau.
Peter blätterte um. Weitere Fotos mit Menschen, die er nicht kannte, aber er gönnte seinem Großvater die Freude, in Erinnerungen zu schwelgen, und den Spaß, zu vielen Bildern einen Kommentar abgeben zu können.
Auf der letzten Seite des Albums standen sämtliche Namen der anwesenden Gäste. Peter Dahnken überflog die Namen, die ihm sowieso fast alle nichts sagten, und wollte das Album schon zuklappen, als er an einem Namen hängen blieb. Stolze.
»Opa, zeig mir doch bitte auf den Bildern die Familie Stolze.« Er war wie elektrisiert. Peter rückte seinen Stuhl um den kleinen Tisch herum, um neben seinem Großvater sitzen zu können, damit sie gemeinsam in das Buch schauen konnten.
Jakob blätterte einige Seiten zurück, dann zeigte er mit dem Finger auf einen hochgewachsenen Mann in dunklem Anzug. Daneben standen zwei Frauen. »Das sind Uwe, seine Frau Dietlinde und Irene, die Tochter der beiden.«
Tatsächlich. Bei genauerem Hinsehen erkannte Peter Dahnken Irene Stolze, die einen gelangweilten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte und sich sichtlich unwohl in ihrem Cocktailkleidchen fühlte. Er ging das gesamte Album noch einmal durch und fand noch weitere Fotos, auf denen Irene zu sehen war. Auf drei Bildern war sie im Gespräch mit zwei jungen Männern. Auch die beiden in ihren dunklen Anzügen blickten düster, die Augenbrauen zusammengezogen, die Mundwinkel zeigten abschätzig nach unten. Alle drei sahen aus, als könnten sie der Jubelfeier absolut nichts Positives abgewinnen.
»Wer sind die beiden da, Opa?«, fragte Peter.
»Oh, das sind die Söhne von Harmsen und Teschen. Warte mal, wie hießen die Jungs doch gleich noch?« Jakob Dahnken kratzte sich sein noch volles, aber schlohweißes Haar. Dann leuchteten seine Augen auf. »Ich weiß es wieder. Knut und Hans-Joachim.«
Peter Dahnken saß wie vom Donner gerührt da und starrte seinen Großvater an. Knut Harmsen. Der Tote aus Oberneuland. Wer auch immer Hans-Joachim Teschen war, einer Sache war Peter sich absolut sicher: Dieser Mann hatte mit den Morden an Stegmann und Harmsen zu tun.
*
Hölzle kam müde und abgekämpft nach Hause. Zu allem Überfluss hatte er heute Morgen schon wieder einen Artikel von Thorben Schmink lesen müssen, der berichtete, dass der Verfassungsschutz Interesse an dem Toten vom Bürgerpark zeigte. Es stand zwar nichts wirklich Neues darin zu lesen, doch Schmink wollte die Sache wohl warmhalten. Hölzle war alles andere als glücklich ob dieser Tatsache. Natürlich hatte Harry den Schmierfinken in die Mangel genommen. Aber ohne Erfolg. Schmink behauptete, er habe lediglich eins und eins zusammengezählt und als cleveres Kerlchen – das er ja nun einmal sei – wäre er zu dem Ergebnis
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