Rotglut - Kriminalroman
Gewebe.
»Daran ist er aber wohl kaum gestorben, oder?« Er wechselte einen Blick mit Henri, die nur leicht amüsiert den Kopf schüttelte. Sie kannte ihre Freundin Sabine. Adler-Petersen hatte jetzt Blut geleckt, weil sie zur Abwechslung mal etwas Besonderes auf ihrem Tisch hatte und nun natürlich jeden an ihrem Wissen teilhaben ließ, ob derjenige wollte oder nicht. Da kannte der Adlerblick kein Pardon.
»Aber lange hätte er es wohl nicht mehr gemacht. Denn so wie es aussieht, hat er einen multiplen Organbefall. Gestorben ist er auf jeden Fall an einem schweren Schädelhirntrauma nach massiver Gewalteinwirkung auf den Kopf«, sagte sie zu niemand Bestimmtem. »Typisch sind auch die Petechien, die auf der gegenüberliegenden Seite des Ortes der Gewalteinwirkung stärker sind. Weiterhin multiple Zerreißungen intrazerebraler Gefäße und Einblutungen in den Hirnstamm.« Sie sah auf. »Ein Wunder, dass der überhaupt noch einen Namen sagen konnte.« Dann pfiff sie leise durch die Zähne. »Das hier«, sie deutete auf eine Stelle des Gehirns, »hat er aber nicht durch seinen Mörder. Dies sieht aus wie ein Tumor oder ein Abszess. Das werde ich mir später genauer anschauen. Oder auch tatsächlich ein seltener Fall von Gehirnbeteiligung durch die TB. Vielleicht sollte ich meinen Kollegen aus der Neuropathologie hinzuziehen. Das ist richtig spannend heute.« Ihre Augen oberhalb des Mundschutzes leuchteten.
Hölzle und Henri sahen mit leichtem Schaudern zu, wie die Gerichtsmedizinerin einen Teil des Gehirns entnahm, in ein Schälchen gab und beiseite stellte. Sie zog noch eine Blutprobe und punktierte die Blase, um noch einen Rest Urin als Probe zu bekommen.
»So, das war’s, Leute. Mehr gibt’s nicht. Erst mal. Auf jeden Fall ist der Mann eindeutig an der schweren Kopfverletzung gestorben und nicht an diesem Abszess, welche Ursache der auch immer hat, oder durch die Tuberkulose, wenn es denn eine ist.«
Henri atmete tief durch und verfluchte sich in Gedanken dafür, denn sie ekelte sich vor dem Geruch in der Pathologie. Daran würde sie sich wohl nie gewöhnen. »Alles klar. Was meinen Sie, Herr Hölzle, spricht doch bisher alles eher für eine Tat privater Natur und nicht für einen Raubüberfall, oder?«
Hölzle räusperte sich. »Sehe ich genauso. Sein Portemonnaie war noch in der Hosentasche und es befanden sich 20 Euro und 15 Cent darin. Wir gehen davon aus, dass wir diesen Stegmann in absehbarer Zeit finden werden. Dann sehen wir weiter.«
»Herr Hölzle, Sie müssen die beiden Zeuginnen unbedingt darauf aufmerksam machen, dass sie sich ärztlich untersuchen lassen sollen wegen der möglichen Ansteckungsgefahr durch die TB«, mahnte Adler-Petersen eindringlich.
Er nickte, versprach, daran zu denken, und verabschiedete sich von den beiden Frauen.
»Ach, Herr Hölzle …!«, rief ihm Adlerblick nach. Er drehte sich um und wurde des belustigten Grinsens der Gerichtsmedizinerin gewahr.
»Grüßen Sie mir Ihren Schwiegervater ganz herzlich. Was für ein charmanter Mann«, fügte sie, für Hölzle überflüssigerweise, hinzu.
Hölzle wurde rot, schnappte nach Luft und machte, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, auf dem Absatz kehrt.
Kaum hatte er das Gebäude verlassen, fiel ihm siedend heiß ein, dass er gar nicht mit seinem Wagen hier war. Adlerblick hatte ihn ja mitgenommen und wollte ihn wieder im Präsidium absetzen. Seufzend kehrte er um und ging die Treppen hinunter in Richtung Obduktionssaal. Verdammter Adlerblick. Hölzle war klar, dass dieses heimtückische Weibsbild ihn absichtlich hatte gehen lassen, nur damit er wieder zurücklaufen musste. Er holte tief Luft und machte sich auf ihr süffisantes Lächeln gefasst.
Zurück im Präsidium, griff er zuallererst in die gut gefüllte Schokoladenschublade seines Schreibtisches. Er ärgerte sich noch immer, dass er nicht mit irgendeinem lockeren Spruch auf den ironischen Kommentar von Adlerblick reagiert hatte, als er zurück in den Sektionsraum geschlichen war. Aber ihm fiel selten etwas Schlagfertiges ein, wenn es darum ging, sich mit dieser Frau auseinanderzusetzen. Und so hatte er sich entschieden, besser gar nichts zu sagen, als sie im Auto erneut das Gespräch auf Manfred bringen wollte. Er hatte eisern geschwiegen, auch wenn es ihn juckte, ein paar bösartige Worte über den Vater von Christiane zu verlieren. Schließlich hatte die Pathologin aufgegeben und sie waren beide schweigend bis vor das Präsidium gefahren.
Es klopfte. Im selben
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