Rotglut
so das sicherste Urlaubsland. Egal. Er hat dort einen Angestellten oder jedenfalls jemanden, der ihm mit der Bar geholfen hat. Mit diesem Mann, Joseph Kutesa, wird versucht, Kontakt aufzunehmen. Die zuständige Polizei meldet sich dann wieder bei uns.«
Peter lehnte sich in seinem Stuhl zurück und drehte einen Kugelschreiber zwischen den Fingern.
»Ich habe mal nachgesehen, was 1974, als Stegmann noch in Bremen war, in Deutschland so abging …«, weiter kam er nicht.
»Fußballweltmeisterschaft, und wir haben gewonnen!«, freute sich Harry.
»Jetzt bleib doch mal ernst. Kleine Gedächtnisauffrischung: Brandt trat zurück und Helmut Schmidt wurde Kanzler, Richard Nixon ist über die Watergate-Affäre gestolpert, so weit das Deutschland- und Weltgeschehen. In Bremen waren die herausragenden Schlagzeilen die Entführung und Ermordung des Bankiers Rosenberg, und im Dezember des Jahres gab es noch einen Bombenanschlag auf den Bremer Hauptbahnhof. Beides offensichtlich politisch motiviert.« Zufrieden grinste Peter seinen Partner an.
»Rosenberg? Wer war das denn? Ich war damals erst drei und kann mich nicht mehr so gut an politische Ereignisse erinnern«, flachste Harry.
»Rüdiger Rosenberg war Bankier, Mitinhaber der Privatbank Rosenberg, Haller und Co. Er wurde 1974 entführt und schließlich umgebracht. Die Täter wurden nie gefasst, man ging davon aus, dass es die RAF gewesen ist. Aber die hat dementiert.«
»Und siehst du da eine Verbindung zu Stegmann?« Harry runzelte die Stirn.
»Nein. Nur, dass Stegmann, kurz nachdem die Leiche Rosenbergs gefunden wurde, seinen angeblich tödlichen Unfall hatte. Seltsam, oder? Vielleicht gibt es zwischen den beiden ja irgendeinen Zusammenhang. Vielleicht hatte die Sicherheitsfirma, für die Stegmann gearbeitet hatte, auch die Rosenberg-Bank bewacht oder sein Wohnhaus. Jedenfalls ist der Zeitraum zwischen der Rosenberg-Entführung, dem Bombenattentat im Bahnhof, dem Leichenfund Rosenbergs und dem Tod Stegmanns doch recht eng. Rosenberg wurde im Juni entführt, im Dezember war der Anschlag, kurz danach fand man die Leiche des Bankiers, und zwei, drei Tage später fährt Stegmann gegen einen Baum und verbrennt bis zur Unkenntlichkeit.«
Harry hob die Augenbrauen. »Tja, das hat was. Weiß Hölzle schon Bescheid?«
Peter Dahnken schüttelte den Kopf. »Nein, der ist heute mal früher nach Hause. Vielleicht rufe ich ihn später an, wenn ich noch mehr herausgefunden habe.«
Hölzle plagten derweil andere Sorgen. Christiane hatte ihm soeben eröffnet, dass sie den etwas misslungenen Familienabend wiederholen wollte, allerdings im Rahmen einer größeren Fete. Sie hatte sowieso ihre Reiterkameradinnen und Heiners Freunde aus dem Präsidium, Harry und Peter, sowie Markus Rotenboom von der Spurensicherung einladen wollen, um ihren erfolgreichen Abschluss zu feiern. Nun wollte sie gern ihre Eltern und natürlich auch ihre Schwester Carola wieder dabei haben.
»Ich habe übrigens mit Papi ein ernstes Wort geredet«, hörte er sie aus der Küche sagen, »er solle dir doch endlich das Du anbieten. Das ist ja so was von lächerlich, dieses Gesieze zwischen euch. Findest du nicht?«
Hölzle deckte den Tisch und dachte kurz darüber nach, was er dazu sagen sollte. ›Eigendlich isch mir des grad recht, wenn mir per Sie bleibet. ›Du Arschloch isch schneller gsagt als Sie Arschloch. Wobei Sie Arschloch schlemmer isch‹, erinnerte er sich an einen Spruch seines Vaters.
»Mir soll’s recht sein«, brummte er dann schweren Herzens zurück, um nicht schon wieder einen Streit vom Zaun zu brechen. Er fummelte die Servietten unter das Besteck neben den Tellern und betrachtete zufrieden sein Werk.
»Das war mir klar«, gab Christiane zurück. »Deine Mutter habe ich schon angerufen, ob sie auch kommen möchte, aber es ist ihr zu weit von Straßburg, und deine Schwester ist zu diesem Zeitpunkt im Urlaub mit ihrer Familie.« Christiane war in Erzähllaune. »Ach, und weißt du was? Ich hab so das Gefühl, dass Harry und Carola gut zusammenpassen würden. Vielleicht geht da ja was auf der Party.«
Hölzle fiel beinahe eines der Weingläser, die er gerade aus dem Schrank genommen hatte, aus der Hand. Harry und Carola? Wie kam sie denn darauf?
»Sag mal, hast du was genommen? Also jetzt mal ganz ehrlich: Harry und Carola, das ist wie …, wie ein Duett von Wolfgang Petri und Anna Netrebko! Nur in vertauschten Geschlechterrollen. In dem Falle wäre Harry Anna Netrebko«, ereiferte er
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