Rotkäppchen und der böse Wolf
Verbindungstür hinter dem Büfett auf.«
»Und du hast alles gehört?«
»Alles«, sagte Tuppence vergnügt.
»Und hast mir gegenüber nicht einmal eine Andeutung gemacht?«
Tommys Stimme klang vorwurfsvoll.
»Das fehlte gerade noch. Ich wollte es euch ja gerade gründlich zeigen, dir und deinem Mr Grant.«
»Mein Mr Grant ist er eigentlich nicht. Und reingelegt hast du ihn wirklich. – Aber warum nennst du dich eigentlich Blenkensop?«
»Warum nicht?«
»Komischer Name.«
»Er fiel mir gerade ein, und dann war er auch bequem für die Wäsche.«
»Für die Wäsche?«
»B. du Dummkopf. B. für Beresford, B. für Blenkensop. Auf meinen Schlüpfern ist es schließlich deutlich eingestickt. Aber warum heißt du Meadowes? Das klingt ganz dumm.«
»Erstens«, sagte Tommy, »habe ich kein gesticktes B. auf meinen Hosen. Und dann habe ich mir den Namen nicht selber ausgesucht. Meadowes gehört zu meinem Auftrag. Mr Meadowes ist ein sehr würdiger Herr – ich habe seine ganze Lebensgeschichte auswendig gelernt.«
»Fein«, sagte Tuppence. »Bist du verheiratet oder ledig?«
»Witwer«, antwortete Tommy mit Würde. »Meine Gattin starb vor zehn Jahren in Singapur.«
»Weshalb gerade in Singapur?«
»Irgendwo muss der Mensch doch sterben. Was hast du gegen Singapur?«
»Nichts. Vielleicht stirbt es sich dort ganz nett. Ich bin Witwe.«
»Und wo ist dein Mann gestorben?«
»Musst du das wissen? Vermutlich in einem Sanatorium. Ich glaube, er hatte eine Schrumpfleber.«
»Aha. Armer Kerl. Und dein Sohn Douglas?«
»Douglas dient bei der Marine.«
»Ja, das hast du gestern Abend erzählt.«
»Ich habe noch zwei andere Söhne. Raymond ist bei der R.A.F. und Cyril, mein Jüngster, bei der Armee.«
»Und wenn nun jemand auf den Gedanken kommt, über die Blenkensops Nachforschungen anzustellen?«
»Meine Kinder heißen ja gar nicht Blenkensop. Blenkensop war mein zweiter Mann. Mein erster hieß Hill. Im Telefonbuch sind drei Seiten lang nichts als Hills. Da soll mal einer mit Nachforschungen anfangen.«
»Ach Tuppence, das alte Kreuz mit dir«, seufzte Tommy. »Immer musst du des Guten zu viel tun. Zwei Männer und drei Söhne. Das ist zu viel. Pass auf, du wirst dich in Widersprüche verwickeln.«
»Bestimmt nicht. Die Geschichte mit den Söhnen kann unter Umständen ganz nützlich werden. Vergiss nicht, ich habe keinen Auftrag: Ich kann tun und lassen, was mir Spaß macht. Und es macht mir Spaß.«
»Das merke ich«, sagte Tommy. Dann wurde er verdrossen. »Ich fürchte nur, es wird bei der ganzen Sache nichts herauskommen.«
»Warum meinst du das?«
»Du bist schon ein paar Tage länger da als ich. Sag ehrlich: Kann einer der Leute von gestern Abend ein gefährlicher feindlicher Agent sein?«
»Ein bisschen unwahrscheinlich ist das schon«, gab Tuppence zu. »Aber vielleicht dieser junge Mann…«
»Carl von Deinim? Die Polizei hat ein scharfes Auge auf alle Flüchtlinge.«
»Das weiß ich. Aber möglich wäre es trotzdem. Er ist immerhin ein recht anziehender junger Mann, nicht wahr?«
»Ach, du meinst, die Mädchen könnten ihm vielleicht allerlei erzählen? Aber welche Mädchen denn? Ich habe keine Admirals- oder Generalstöchter entdeckt. Vielleicht macht er Ausflüge mit Regimentskommandantinnen vom Frauen-Hilfsdienst?«
»Tommy, wir dürfen keine dummen Witze über die Sache machen.«
»Ich nehme die Sache so ernst wie nur möglich. Gerade deshalb meine ich, dass wir auf dem Holzweg sind.«
»Ich glaube, es ist noch zu früh, das zu entscheiden«, meinte Tuppence nachdenklich. »Sehen wir einmal weiter. Was hältst du von Mrs Perenna?«
»Hm«, überlegte Tommy, »ja, diese Mrs Perenna. Du hast vielleicht Recht. Da ist nicht alles klar.«
»Und wir beide?«, fragte Tuppence ganz sachlich. »Ich meine, in welcher Weise können wir einander in die Hände arbeiten?«
»Vor allem darf man uns nicht allzu häufig zusammen sehen«, erwiderte Tommy.
»Nein, gewiss nicht, sonst könnte jemand auf den Gedanken kommen, dass wir uns besser kennen, als wir zugeben. Aber wir müssen uns doch ein bestimmtes Rollenspiel zurechtlegen. Ich glaube… ja, ich glaube, Nachstellung. Das wird am besten sein.«
»Nachstellung?«
»Natürlich. Ich stelle dir nach. Du willst mir zwar entkommen, aber als echter Kavalier bringst du es nicht immer fertig. Ich habe zwei Männer gehabt und halte Ausschau nach dem Dritten. Du spielst die Rolle des Witwers, dem die Frauen nachstellen. Sooft ich kann, nagle ich
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