Rotkäppchens Rache
korrigierte sie sich.
Er führte sie in den linken Raum. Ein Glockenspiel aus Eisen, das an der zentralen Zeltstange hing, läutete leise, als sie eintraten. Einander überlappende Teppiche, in die verschlungene Muster in rot, gold und blau gewebt waren, bedeckten den Boden. Schlafmatten säumten die Zeltwände, jede der Länge nach gefaltet und abgestützt, sodass sie niedrige, behelfsmäßige Liegesofas bildeten.
Muhazil kauerte sich an einen kleinen Feuerkreis in der Mitte des Raums. Er blies in die Glut, bis die Flammen wieder emporzüngelten, und gab einen kleinen Haufen Zunder und etwas, das nach getrocknetem Mist aussah, dazu.
Talia wollte anfangen zu reden, aber Faziya zog sie zu einer der Matten hin, die überraschend fest war. Wie das Zelt waren auch die Matten aus Ziegenwolle gewebt und jede mit einem anderen Muster verziert. Diese hier war mit blauen und violetten Streifen gefärbt. Nach Talias Zeit in Jahrasima und der Wüste waren die leuchtenden Farben des Kha’iida-Lagers regelrecht erfrischend.
Sie wartete ungeduldig, während Muhazil Getränke zubereitete. Er schöpfte Wasser aus einem Becken in einen kleinen Topf, den er direkt auf die Glut stellte. Dann öffnete er eine kleine Truhe und entnahm ihr einen schlichten Leinensack. Schnell durchdrang der Geruch nach Kaffee das Zelt. Summend nahm er eine Hand voll zerstoßener Bohnen und warf sie ins Wasser.
Wider Willen lächelte Talia. »Ich habe keinen richtigen Kaffee mehr getrunken, seit ich ein Kind war. Und selbst da erlaubten meine Eltern mir nie viel davon.«
»Warum nicht?«, fragte Muhazil. »Kaffee ist gut für den Körper und den Geist.«
Talia lächelte trocken. »Sie hatten Angst, er könnte mich vom Schlafen abhalten.«
Faziya drückte ihre Hand. Schweigend warteten sie, während Muhazil den Kaffee fertig brühte. Zuerst schenkte er für Talia ein und reichte ihr eine kleine Porzellantasse mit Silberrand. Sie blies einmal und nippte daran. Er schmeckte bitterer, als sie es in Erinnerung hatte, aber der Safrannachgeschmack entlockte ihren Lippen einen zufriedenen Seufzer.
Mit zitternder Hand nahm Faziya ihre eigene Tasse entgegen. Sie nahm einen kleinen Schluck, dann stellte sie die Tasse auf die Matte. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich sollte nicht so viel davon trinken, während mein Körper wieder zu Kräften zu kommen versucht.«
»Sagt der Tempel der Hecke?«, fragte Muhazil.
Talia straffte sich. »Ja.«
Muhazil fuhr mit der Hand durch die Luft, als wolle er ein Insekt verscheuchen, was bedeutete, dass er kein Interesse hatte, die Diskussion fortzuführen. Zu Talia sagte er: »Du wolltest allein sprechen.«
»Die Wilde Jagd hat die Kha’iida in der jüngsten Vergangenheit belästigt«, sagte Talia.
»Sie haben uns für den größten Teil der vergangenen Jahreszeit verfolgt«, gab Muhazil zu. »Zwei Stämme sind verschwunden; drei andere sind zerschlagen worden und haben sich zerstreut. Vor einem Monat schlossen sich vierzehn Überlebende unserem eigenen Stamm an. Wir haben an Schutzvorkehrungen getroffen, was wir können, um die Jagd von einer Rückkehr abzuhalten.«
Fünf Stämme vernichtet! Talia nahm noch einen Schluck Kaffee und bemühte sich, genauso gefasst zu wirken wie Muhazil, doch innerlich zitterte sie. Fünf Stämme - das bedeutete Hunderte, wahrscheinlich Tausende von Menschen. »Vater Uf’uyan erwähnte nicht, dass es so schlimm war.«
»Die Städte schenken der Wüste heutzutage wenig Beachtung«, entgegnete Muhazil.
»Ein Fehler, der uns alle vernichten könnte«, antwortete Talia.
Muhazil beugte sich vor und stellte seine Tasse auf dem Boden ab. »Wie das?«
»Die Wilde Jagd dient einer Elfe namens Zestan-e-Jheg. Wir glauben, dass Zestan eine Deev ist.«
»Unmöglich!« Muhazil begann sich zu erheben.
»Wenn das wirklich unmöglich wäre, gäbe es keine Notwendigkeit für euren Eid.« Talia blickte aufs Tal hinaus. »Du hast in diesen letzten Nächten die Laute der Wilden Jagd gehört. Welche geringere Elfe hat die Macht, sie zu befehligen?«
»Denkst du, wir hätten diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen?« Wieder verscheuchte Muhazil das imaginäre Insekt. »Wir Kha’iida bewachen Arathea, indem wir den Pfaden unserer Vorväter folgen, um uns zu vergewissern, dass keins der Tore geöffnet worden ist. Unsere Seherinnen halten nach jedem Omen Ausschau, das auf die Rückkehr der Deev hindeuten könnte. Als die Angriffe begannen, erhöhten wir unsere Wachsamkeit. Kein Deev ist
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