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Rotkäppchens Rache

Rotkäppchens Rache

Titel: Rotkäppchens Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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Gestern Abend waren sie viel länger geritten, als Talia lieb gewesen war, bevor sie zwischen zwei Dünen eine Stelle mit hartem Sand gefunden hatten. Roudette hatte sich ein Loch gegraben, während Talia Gewänder und Decken ausgebreitet und ein primitives Zelt zusammengebastelt hatte. Eine Schicht Sand darauf hatte geholfen, es mit der Landschaft verschmelzen zu lassen, aber sie hatte die ganze Nacht nervös wach gelegen und versucht, sich einen Plan zurechtzulegen, mit dessen Hilfe sie entkommen konnten, falls die Wilde Jagd sie finden sollte.
    Die Wüste erstreckte sich in alle Richtungen, so weit das Auge reichte. Bei jedem Schritt sanken die Hufe der Pferde in den welligen Sand ein. Den ganzen Tag lang waren die einzigen anzutreffenden Pflanzen kaum mehr als nackte Stöcke und dornige Stummel gewesen, die sich durch den Sand bohrten. »Wie lang dauert es noch, bis wir das Tal erreichen?«
    Faziya sog die Luft ein. »Wir nähern uns ihm.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Talia.
    »Kannst du das Wasser denn nicht riechen?« Faziya lachte. »Ihr Stadtbewohner seid so verweichlicht! So zivilisiert. Du würdest keinen Monat in der Wüste überleben.«
    »Sagt die Frau, die ohne Hilfe vom Pferd fallen würde«, erwiderte Talia, deren Arm um Faziyas Taille lag. »Ich dachte, ihr Wüstenbarbaren wärt so zäh!«
    Faziya lehnte den Kopf gegen Talias Schulter. »Zäh genug, um sich mit dir abzufinden.«
    Talia küsste sie auf den Kopf, womit sie in diesem Punkt nachgab. »Welche Art von Willkommen haben wir im Hai’ir tel zu erwarten? Du hast nie darüber gesprochen, weshalb du eigentlich fortgegangen bist.«
    Faziya versteifte sich. »Ich bin mir nicht sicher. Eid vor Familie. Stamm vor Land. Land vor einem selbst. Als ich ging, habe ich mich vor alles andere gestellt.«
    Schnee warf einen Blick zu ihnen herüber. »Will sie damit etwa sagen, dass wir möglicherweise nicht willkommen sind? Es wäre nicht schlecht gewesen, das vor drei Tagen zu wissen.«
    »Oh, nein!«, widersprach Faziya. »Ihr werdet willkommen sein. ›Niemand soll einen Fremden in der Wüste abweisen.‹ Man wird euch Wasser und Unterschlupf für drei Tage gewähren.«
    »Was ist mit dir?«, fragte Talia.
    Faziya schnippte mit den Fingern, eine achtlose Geste, die einem Schulterzucken gleichkam. »Wenn ich Glück habe, wird man mich wie eine Fremde behandeln.«
    Der Klang der Hufschläge hatte sich verändert, war jetzt weniger hohl. Das Land stieg langsam an und bot mehr Pflanzen Nahrung. Talia sah einen Busch, der Knospen mit roten Spitzen trug, die sie an in Blut getauchte Pinsel denken ließen. Eine kleine Eidechse sonnte sich auf einem der Zweige.
    »Hinter diesem Hügel.« Faziyas Hand legte sich fester auf Talias Bein.
    »Ich hoffe nur, dass sie uns getrennte Zelte geben können«, meinte Schnee. »Wenn ich wieder zuhören muss, wie Roudette im Schlaf Kaninchen jagt, werde ich wahnsinnig!«
    Roudette hatte bereits den Hügel vor ihnen erklommen. Sie trabte ein kurzes Stück zurück und fing an, das Wolfsfell auszuziehen.
    »Eid vor Familie«, wiederholte Talia, wobei sie Faziyas Hand in ihre nahm. »Was auch geschehen ist, du hast diesen Grundsatz befolgt. Zestan ist eine Deev; das ist wichtiger als alles andere.«
    »Wenn sie uns glauben«, wandte Faziya ein.
    Mit einer Hand an den Zügeln lenkte Talia das Pferd den Hügel hinauf auf Roudette zu. »Dafür werde ich sorgen.«
    Bis sie die Kuppe erreicht hatten, war Roudette wieder ein Mensch. Regungslos wartete sie, bis die anderen zu ihr gestoßen waren. »Es gibt Elfenwitterung, aber sie ist alt. Wahrscheinlich ist die Wilde Jagd vor einiger Zeit hier vorbeigekommen. Nichts jüngeren Datums.«
    Unter ihnen lag ein breites, flaches Tal. In seiner Mitte erstreckte sich ein Weiher, gesäumt von Bäumen und hüfthohem Gras, grün wie in einem Garten. Eine Schafherde weidete im Tal verstreut. Neben einem zweiten, kleineren Weiher in einiger Entfernung scharten sich Kamele. Schwarze, rechteckige Zelte waren in parallelen Reihen aufgebaut und blickten nach Osten; Talia schätzte, dass es mindestens hundert waren. Zwischen vielen davon waren Pferde angepflockt.
    Talia wickelte das Kopftuch auf, um ihr Gesicht zu zeigen, ließ jedoch den Schädel bedeckt. Nachdem sie so lang geritten war, fühlte sich die Luft auf ihren Wangen fast kühl an. Sie sagte zu den andern: »Es ist unhöflich, das Heim eines Fremden zu betreten und seine Identität nicht preiszugeben.«
    Sie wartete, bis Danielle und

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