Rotkäppchens Rache
entkommen.«
»Von dem ihr wisst. Aber weshalb sonst sollte sie dein Volk zur Zielscheibe wählen? Welcher Stamm ist der Jagd als erster zum Opfer gefallen? Vielleicht hat er Beweise für Zestans Entkommen entdeckt.«
»Wir haben ihre Wege zurückverfolgt. Es gab keine solchen Beweise.« Muhazil wandte sich nach rechts; nach Süden, wurde ihr klar, in Richtung der Berge der Peri. »Seit Generationen erzählen wir Geschichten über die Deev. Ältere Kinder verängstigen ihre jüngeren Geschwister mit Erzählungen über Deev, die im Schatten lauern.« Ein Zucken seiner Lippen ließ Talia vermuten, dass er eins dieser jüngeren Geschwister gewesen war. »Sag mir, hast du diese Deev gesehen? Oder gründen deine Ängste auf nichts weiter als Schatten und Geschichten? Elfenmagie ist trügerisch. Könnte es sein, dass diese Zestan will, dass ihr sie für eine Deev haltet, um Furcht in den Städten zu verbreiten?«
Faziya beugte sich vor. »Ich habe einen Monat in Rajils Garten zugebracht, verwunschen durch Zestans Magie. Zieh dein Messer! Lass es den Fluch in meinem Blut schmecken!«
Muhazil runzelte die Stirn. »Du bist Gast hier, Kind. Erdreiste dich nicht -«
»Ich erdreiste mich.« Talia stand auf. »Du hast einen Eid geschworen, dieses Land zu beschützen. Das tat auch mein Vater, Hakim Malak-el-Dahshat. Als Prinzessin von Arathea spreche ich bei dir vor, damit du diesem Eid Folge leistest.«
Muhazil musterte sie lange. »Talia Malak-el-Dahshat. Jahrelang haben wir Gerüchte über dein Schicksal gehört. Nimm bitte wieder Platz. Ich werde hören, was du zu sagen hast, aber ich kann nichts versprechen.«
Langsam ließ sich Talia wieder nieder. »Faziya ist der Raikh von Jahrasima in deren eigener Villa entgegengetreten, um zu versuchen, den Kha’iida zu helfen.«
Muhazil blickte erstaunt drein. »Nicht die klügste Strategie.«
»Ganz und gar nicht«, stimmte Talia ihm zu, was ihr ein wütendes Funkeln von Faziya eintrug. »Das ändert aber nichts am Kernpunkt: Sie ist eine Kha’iida; sie verdient deinen Respekt und deine Hilfe.«
»Königin Lakhim hat eine Belohnung für deine Gefangennahme ausgesetzt«, sagte Muhazil.
Talia lächelte. »Dann habe ich ja Glück, dass auch du ein Kha’iida bist und die Gastfreundschaft nie verraten würdest.«
Das trug ihr ein Lachen ein. »Na schön, Prinzessin. Ich werde deinen Wünschen nachgeben.« Er griff in sein Gewand und zog ein kleines Messer mit Knochenheft heraus. Die Klinge bestand aus einer flachen Kristallraute, die lebhaft grün schimmerte und so vollkommen geformt war wie Danielles Schwert.
Faziya streckte die Hand aus und zuckte nur leicht zusammen, als Muhazil in ihren Handteller schnitt. Er drückte die flache Klinge auf ihre Hand und überzog das Messer mit ihrem Blut.
Talia ballte die Fäuste. Jeder Tropfen Blut schwächte Faziya noch mehr. Wie viel brauchte das Messer?
Endlich zog Muhazil es weg. Talia riss sich das Kopftuch herunter und presste es auf Faziyas Handfläche. Faziya war bleich, sah aber stoisch zu, wie Muhazil die Klinge ins Licht hielt.
Er runzelte die Stirn und hielt das Messer näher an seine Augen. »Sonderbar.«
»Ist der Fluch Deev-Werk?«, fragte Talia.
»Wäre er das, würde das Blut beim Kontakt mit dem Kristall rauchen«, sagte Muhazil. Er kostete das Blut mit der Zungenspitze, zuckte zusammen und hielt das Messer von sich. »Klinge und Blut sind heiß; fast so heiß, dass man sich daran verbrennen kann.«
»Was bedeutet das?«, wollte Talia wissen.
»Ich weiß es nicht.« Er nahm das Messer in beide Hände. »Es gibt hier tatsächlich Magie. Mächtigere, als dass sie von einer bloßen Elfe stammen könnte.« Er verneigte sich vor den beiden. »Ich werde mit unserer Seherin sprechen.«
»Wenn der Fluch das Werk eines Deev ist, wirst du uns dann helfen, den Verantwortlichen zu finden?«, fragte Talia.
»Wir haben geschworen, die Deev zu bekämpfen«, erwiderte er. »Aber welchem Feind ihr euch auch gegenüberseht, diese Magie stammt nicht von einem Mitglied der verfluchten Rasse. Es tut mir leid, Prinzessin.«
Kapitel 18
Talia saß im Schatten von Muhazils Zelt und beobachtete, wie ein kleiner Junge vor seinem älteren Bruder floh. Das jüngere Kind hatte seine Gewänder weggeworfen und kicherte wie verrückt, als es in nichts als Sandalen auf den Teich zurannte. Platschend sprang es ins Wasser, doch sofort wurde es von seinem Bruder wieder herausgefischt.
Aus Wonneschreien wurde Protestgeheul, aber der Bruder
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