Rotkäppchens Rache

herunter. »Na schön!«, murmelte sie.
    Roudette versuchte, sie zu warnen, aber sie konnte die Worte nicht bilden. Talia griff Schnee von hinten an und ließ einen Hagel von Schlägen mit einer solchen Geschwindigkeit auf sie niedergehen, dass Roudette ihnen nicht folgen konnte. Roudette bezweifelte, dass Schnee überhaupt wusste, wie ihr geschah. Talia wich zurück und ließ Schnee zu Boden sacken.
    »Talia, wir sind’s!«, rief Danielle.
    »Ist sie nicht großartig?«, fragte Nagesh und trat zurück, um Talia zu ermöglichen, Danielle zu erreichen. »So nah am Elfsein, wie nur je ein Mensch gewesen ist!«
    Danielle hielt das Schwert auf Talia gerichtet, die sich im Kreis zur Seite bewegte.
    Roudette schloss die Augen. Großmutter, gib mir Kraft! Sie griff um ihr Bein herum. Der Schaft des Pfeils in ihrer Seite war klebrig vor lauter Blut. Sie versuchte, ihn herauszuziehen, aber er weigerte sich, sich zu bewegen. Damit blieb nur noch eine Option.
    Sie öffnete ihren Umhang und zog ihn über den Pfeil in ihrer Seite. Bei jeder Bewegung wurde ihr vor Schmerzen schwindlig, aber es gelang ihr, den Umhang so weit herumzuziehen, dass das Fell außen lag. Sie packte die Seiten, zerrte den Umhang fest und versuchte, die Magie auszulösen.
    Sie langte nach oben, um die Kapuze über ihren Kopf zu ziehen, und ihr Körper veränderte sich. Sie schrie auf, als ihre Knochen knirschend gegen das Holz der Pfeile rieben.
    Nagesh zerrte sie auf die Füße und riss mitten in der Verwandlung den Umhang fort. Roudette verlor vor Schmerzen fast das Bewusstsein, als ihr Körper wieder in seine normale Gestalt zurückrutschte.
    Mit einem Ruck zerrte Nagesh den Umhang endgültig von Roudette herunter und drehte dabei den Pfeil in ihrer Seite herum. »Zestan wollte das hier behalten. Ich persönlich denke, wir wären besser dran, wenn wir es im tiefsten Ozean versenkten.« Sie rollte den Umhang zu einem Ball zusammen und warf ihn zur Seite, außerhalb von Roudettes Reichweite. Danach ließ sie Roudette wieder auf den Boden fallen.
    Hinter ihnen war Talia an Danielles Deckung vorbeigeschlüpft. Danielles Schwert fiel klirrend zu Boden. Sie tat ihr Möglichstes, um Talia auszuweichen, indem sie zurückwich und versuchte, Tische und Regale zwischen sich und ihr zu halten. Ohne ihre Waffe würde sie nicht mehr lange durchhalten.
    Roudette umklammerte den Pfeil in ihrem Bein. Sie hatte die Verwandlung in die Wolfsgestalt nicht vollendet, aber es hatte gereicht. Als ihr Körper schrumpfte und sich verschob, hatte er dabei auch die Pfeile verbogen. Ohne die Kraft des Wolfs hätten sie ihren Körper wahrscheinlich einfach von innen zerrissen; dank des Geschenks ihrer Großmutter hatte sie einen der Pfeile in sich zerbrechen gespürt.
    Es gelang ihr, den Schaft mitsamt der Spitze herauszuziehen. Nagesh hatte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Talia gerichtet - und wieso auch nicht? Roudette war praktisch tot, und ihren Umhang hatte die Trollin ihr weggenommen. Welche Bedrohung sollte sie noch darstellen?
    Mit einem wölfischen Grinsen rammte Roudette Nagesh den abgebrochenen Pfeil in die Kniekehle. Die Trollin schrie gellend auf und schlug mit einer Faust von der Größe eines Baumstumpfs nach ihr, aber Roudette ließ sich wieder hinfallen und den Schlag über ihrem Kopf vorbeigehen.
    »Töte sie!«, schrie Nagesh.
    Talia gehorchte augenblicklich, wandte sich von Danielle ab und ging auf Roudette zu. Sie hatte Danielles Schwert aufgehoben, hielt sich aber nicht damit auf, es zu benutzen. In Roudettes gegenwärtiger Verfassung hätte sogar ein verkrüppeltes Kind sie besiegen können.
    Talia presste Roudette einen Absatz auf die Kehle. Eine gute Wahl. Ein einziger Tritt würde Roudette den Rest geben; sie konnte aber auch einfach nur den Druck erhöhen und Roudettes Luftröhre zerquetschen.
    Roudette sah ein rotes Flimmern: Danielle krachte in Talia und warf beide zu Boden. Sie klammerte sich an ihr fest und wickelte ihr Roudettes Umhang um den Körper.
    Talias Gegenwehr kam zum Erliegen. Langsam stand sie auf, hielt mit einer Hand den Umhang fest und mit der anderen Danielles Schwert.
    Nagesh humpelte einen Schritt zurück. »Töte sie beide!«
    Talia zog den Umhang über die andere Schulter und strich mit der Hand über die Runen am Saum. »Ich habe ihnen zugesehen, wie sie die Leichen meiner Familie auf die Begräbnisbarke trugen«, sagte Talia leise. »Meine Eltern. Meine Brüder und Schwestern. Alle, die ich jemals gekannt hatte. Tot, wegen deines