Rotkäppchens Rache
Fluchs.«
»Wir haben dich zu dem gemacht, was du heute bist!« Nageshs Stab war gesprungen, aber Roudette konnte die Macht riechen, die dem Holz immer noch innewohnte. Es wuchs zu einem Speer mit goldener Spitze, mit dem die Trollin nach Talia stach. »Wir haben dich groß gemacht. Genau wie wir Arathea unter deiner Herrschaft groß machen werden, Prinzessin. So wie es sein sollte.«
Talia ging auf sie zu. Nageshs Speer schnellte vor. Talia drehte sich zur Seite und packte den Schaft. Ein Hieb mit Danielles Schwert ließ den Speer zersplittern.
Nagesh riss die Augen auf. Sie versuchte einen Zauber, und die Luft um Talia herum kräuselte sich, aber wieder beschützte Roudettes Umhang sie vor der Magie der Trollin.
Nagesh griff erneut an und holte mit ihrer keulengroßen Faust aus. Talia fing den Schlag mit dem Unterarm ab und rammte ihr Danielles Schwert in den Leib. Sie schleuderte die Trollin gegen die Wand. Der nächste Hieb trennte Nageshs Kopf vom Rumpf.
Roudette lächelte. In dem Moment, als Talia den Umhang angelegt hatte, war Nagesh tot gewesen. Nachdem sich die Stärke des Wolfs mit Talias Schnelligkeit und Anmut vereint hatte, gab es nur wenig auf der Welt, was sie aufhalten konnte.
Sie fragte sich, ob ihre Familie darauf wartete, dass sie sich zu ihnen gesellte. Trotz allem wollte ein Teil von ihr an den Lehren ihrer Kindheit festhalten. Wollte glauben, dass die Seelen ihrer Großmutter, ihrer Eltern und ihres Bruders alle weiterlebten, dass ihre Tode bloß ein weiterer Schritt auf ihrer ewigen Reise gewesen waren. Besonders gut wäre es, Jaun zu treffen und endlich seine Vergebung erbitten zu können, weil es ihr nicht gelungen war, ihn zu retten.
Eine Lebensspanne war es her, dass Roudettes Großmutter ihr das Wolfsfell gegeben hatte in der Hoffnung, dass ihre Enkelin Erfolg haben würde, wo sie selbst versagt hatte. Roudette legte sich zurück und schloss die Augen. »Gute Jagd, Talia.«
*
Der Umhang war schwerer, als Talia gedacht hatte, insbesondere die Kapuze, die mit den abgeflachten Gesichtszügen des Wolfskopfs gefüttert war.
Sie hatte die Macht des Umhangs im selben Moment gespürt, als Danielle ihn um ihren Körper gewickelt hatte. Nageshs Magie war wie das Lärmen von tausend Stimmen gewesen, die alle schrien und ihren Verstand erfüllten, bis sie sonst nichts mehr hören konnte, bis nur noch diese Stimmen real waren. Der Umhang hatte Stille gebracht, Stille und eine Erleichterung, die so groß war, dass sie hätte weinen können.
Talia betrachtete den kopflosen Körper der Trollin. Sie hatte Nagesh praktisch ohne nachzudenken getötet. »An diesen Umhang könnte ich mich gewöhnen.«
Sie wünschte nur, der Kampf wäre nicht so schnell zu Ende gewesen. Nagesh hätte es verdient gehabt zu leiden, für das, was sie getan hatte.
»Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sich Danielle.
»Der Umhang hat Nageshs Magie blockiert. Danke.« Talia drehte sich von der Trollin weg. Danielles Gesicht war blutig und ein Auge geschwollen. »Was ist mit dir -« Sie runzelte die Stirn. »Das war ich!«
»Nagesh war es.« Danielle kauerte sich über Schnee und half ihr, sich aufzusetzen. Schnee wirkte nicht so lädiert, aber ihre Augen waren geschlossen. Sie stöhnte und versuchte, Danielles Hand wegzuschieben.
»Schnee?« Talia ließ das Schwert fallen und kniete sich neben sie. »Was habe ich ihr angetan?«
»Nicht du. Schnee hat sich zu viel abverlangt«, sagte Danielle.
»Dummes Zeug!«, murmelte Schnee. »Ich habe mir genau die richtige Menge abverlangt.«
»Es tut mir leid!« Talia hob Schnee hoch. Sie schien nichts zu wiegen. »Wo ist Zestan?«
»Ruft wahrscheinlich die Wilde Jagd wieder ins Schloss zurück.« Danielle nahm ihr Schwert wieder an sich und überprüfte die Tür. Obwohl sie sich ruhig anhörte, konnte Talia ihre Nervosität riechen - zweifellos eine weitere Nebenwirkung des Umhangs. »Ich habe die Jagd fortgeschickt, aber es wird nicht lange anhalten.«
»Sie weiß über die Kha’iida Bescheid.« Stirnrunzelnd versuchte Talia sich zu erinnern. Alles, was passiert war, nachdem Nagesh ihren Körper unter Kontrolle genommen hatte, war wie ein Traum. Oder jedenfalls so, wie ihrer Erinnerung nach Träume einst gewesen waren. Es war so lang her. »Wir müssen aus diesem Raum raus!«
»Die Geister.« Schnees Blicke huschten unstet hin und her. »Ihr müsst sie ihr wegnehmen.«
Talia starrte auf sie hinab. »Ich habe schon jede Menge Sachen gestohlen, aber ein Geist war noch
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