Rotkäppchens Rache
Roudette.
Talia versteifte sich, unterbrach ihre Schritte aber nicht.
Bevor Roudette noch mehr sagen konnte, packte Danielle sie am Arm und zog sie an den Straßenrand. »Schnees Elfenmal hält dich davon ab, uns Schaden zuzufügen - was bedeutet, dass es wenig gibt, was du tun kannst, um dich zu verteidigen, wenn Talia zu dem Schluss kommt, dass sie bedient ist. Fahre also unbedingt damit fort, über ihre Heimat herzuziehen und Aufmerksamkeit auf uns zu lenken! Wir werden ja sehen, wie lange ihre Geduld noch reicht.«
»Sei dankbar, dass dieses Mal dich beschützt, Prinzessin!« Roudette machte sich los. »Zeig mir einen Elfen, der letzte Nacht auch nur eine Schramme abbekommen hat! So war -« Ihre Stimme brach. »So war mein Zuhause auch. Nur wenige der ›gesegneten Rasse‹ lebten unter uns, aber der blinde Respekt und die Verehrung waren dieselben. Immer wieder hat meine Mutter mich ermahnt, nicht vom rechten Weg abzukommen wie meine Großmutter. Wir sind dem Weg der Elfenkirche gefolgt, und das hat uns zugrunde gerichtet. Ich habe nichts übrig für diejenigen, die bereitwillig die Lügen der Elfen annehmen.«
Inzwischen blieben Leute stehen und starrten sie an, Menschen ebenso wie Elfen. Danielle senkte die Stimme und hoffte, Roudette würde es ihr gleichtun. »Wir gehen in eine Elfenkirche. Sag mir jetzt, ob du das schaffst!«
Roudette blickte um sich. »Ich werde tun, was immer nötig ist.«
Danielle nahm das als ein Ja. »Das mit deiner Mutter tut mir leid. Mit deinem Zuhause.«
Roudette sagte nichts.
Die Menge wuchs an, als sie sich einem überwölbten Bauwerk aus grün gestrichenem Stein näherten. Zwei riesige sitzende Statuen flankierten den Eingang, wo eine breite Treppe hinab in die Dunkelheit führte. Die rechte, männliche Statue hatte eine Hand in grüßender Geste ausgestreckt; mit der anderen umklammerte sie ein Schwert, das so gemeißelt war, dass es in Flammen zu stehen schien. Sie trug einen Helm, der wie echtes Gold glänzte und von dessen Seiten gewundene Geweihstangen aufragten.
Die andere Statue stellte eine Frau in ähnlicher Haltung dar. Ihre ausgestreckte Hand floss über von Münzen, hauptsächlich kupferne und silberne, die sich in eine große Schale zu ihren Füßen ergossen. Danielle beobachtete, wie eine Familie an der Statue stehen blieb und eine Armspange auf ihre Hand legte, wodurch mehrere Münzen ins Rutschen kamen und in die Schale fielen.
»Die Statuen sind verzaubert«, sagte Schnee leise. »Jemand schaut durch ihre Augen.«
»Mein Umhang wird uns abschirmen«, erwiderte Roudette. »Er wurde angefertigt, um den Blicken der Elfen auszuweichen.« Wie sich die Leute Mühe gaben, ihr und ihrer Krankheit aus dem Weg zu gehen, stand sie da wie eine Insel in einem Strom. Ihre Stimme war wieder ruhig und ohne Anzeichen des Schmerzes, den sie nur Momente zuvor gezeigt hatte.
»Wir sind hier, um Informationen zu bekommen«, schärfte Danielle ihr ein, »um etwas über Zestan zu erfahren. Das ist alles.«
Roudette zuckte die Schultern. »Steckt mich allein mit einem Priester in ein Zimmer, und ich verspreche euch, dass er mir alles erzählen wird, was wir wissen müssen.«
Kapitel 11
Talia warf im Vorübergehen eine Hand voll Münzen auf den Handteller der Statue.
Ein Kleriker in grüner Robe und passender Sheffeyah verbeugte sich zum Zeichen der Dankbarkeit. »Möge Gott deine Großzügigkeit belohnen!«
»Wo war Gott letzte Nacht?«, murmelte Talia. Die Menge wurde dichter, als sie die Treppe hinuntergingen. Falls jemand sie erkennen sollte, gäbe es keine Möglichkeit, durch so viele Leute zu fliehen. Sie senkte den Kopf und bahnte sich den Weg durch die Kirchgänger, wobei sie darauf achtete, dass die anderen dicht hinter ihr blieben.
Faziya hatte Talia sechsmal zur Morgenandacht in diese Kirche geschleppt, bevor sie es aufgab; noch nie hatte Talia sie so vollgestopft erlebt. Sie fragte sich, ob es am Elfeneingang auf der anderen Seite ähnlich geschäftig zuging.
Sie folgte der Menge in einen vertrauten Tunnel und erinnerte sich daran, wie Faziya nicht müde geworden war, sich über den Symbolismus auszulassen. Der Tunnel repräsentiert unser Leben in dieser Welt, eine Zeit der Finsternis, bis wir in Gottes Licht hinaustreten.‹
Nicht dass der Tunnel wirklich dunkel gewesen wäre. Dank des Sonnenlichts von draußen und der Öllampen, die drinnen brannten, konnte Talia einwandfrei sehen, als sie das eigentliche Gotteshaus betrat.
Das Erste, was ihr auffiel,
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