Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotkäppchens Rache

Rotkäppchens Rache

Titel: Rotkäppchens Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
Vom Netzwerk:
nichts ohne Grund«, erwiderte die Frau.
    Der Mann richtete sich auf. »Welchen Grund hat er denn deiner Meinung nach gehabt, meine Familie zu quälen?«
    Talia ließ verstohlen ein kleines Messer aus dem Ärmel gleiten. Mit der Klinge in der hohlen Hand machte sie zwei schnelle Schnitte und löste die Geldbörse der Frau von deren Gürtel. Talia steckte die Börse in ihr Hemd und das Messer in seine Scheide zurück.
    »Entschuldigt die Störung.« Talia zeigte auf den Eingang. »Ich glaube, der Bettler da macht sich soeben mit Eurer Geldbörse aus dem Staub.«
    Die Hand der Frau fuhr an den Gürtel. »In der Kirche - so eine Dreistigkeit!« Sie stürmte davon.
    Schnee schnalzte mit der Zunge. »Schamlos, diese Diebe!«
    Ein Knirschen lenkte Talias Aufmerksamkeit auf den vorderen Teil der Kirche. Die Luft wurde still, das Gezänk der Menge erstarb. Die Kerzenflammen flackerten, als die Wand hinter dem Podium sich in Sand auflöste.
    Talia hatte das schon früher gesehen, aber die Zauberei war dennoch beeindruckend. Fallender Sand verwandelte sich in Nebel, der Nebel lichtete sich und enthüllte eine Türöffnung. Regen verschleierte den spitzen Torbogen, der vom Licht mehrerer Regenbogen eingerahmt wurde.
    »Angeber!«, murmelte Schnee. »Die Regenbogen sind geschmacklos, und mit dem Nebel tun sie des Guten eindeutig zu viel!«
    Talia brachte sie mit dem Ellbogen zum Schweigen.
    Als Erstes kam ein Menschenjunge in einem blauen Wickelgewand herein, das seinen Oberkörper frei ließ. Er trug die polierte Onyxstatuette eines geflügelten Mannes. Er stellte die Statuette in eine kleine Wandnische und eilte dann auf eine Seite des Podiums.
    Ein junges Mädchen erschien als Nächstes, gekleidet in ein sittsameres Wickelgewand aus demselben blauen Stoff. Es trug eine Statuette aus Jade, die es in eine zweite Nische neben die Onyxfigur stellte.
    Weitere Kinder folgten, bis schließlich neun Statuetten auf ihren Plätzen hinter dem Podium standen. Dies waren die neun Boten Gottes, aber sie sahen nicht so aus, wie Talia es gelernt hatte: Die Elfen hatten die sterblichen Boten durch Vertreter ihrer eigenen Rasse ersetzt.
    Es war lange her, dass Talia an die Lehren glaubte, die der Priester ihres Vaters ihr vermittelt hatte, aber diese Nachäffungen zu sehen, rief in ihr den Wunsch hervor, sie zu zertrümmern, am liebsten auf dem Kopf des nächstbesten Elfen.
    Den Kindern folgte der Priester, der, den Kopf in den Nacken geworfen, durch den Nebel schritt.
    »Interessanter Bursche«, flüsterte Schnee.
    »Vater Uf’uyan«, entgegnete Talia. »Er ist ein Naga.«
    Von der Brust an aufwärts sah Vater Uf’uyan wie ein normaler Mann in den Vierzigern aus. Er trug eine kurze, smaragdgrüne Robe, die seine muskulösen Arme unbedeckt ließ. Als Talia das letzte Mal hier gewesen war, war Uf’uyans Haar mehr schwarz als grau gewesen, doch die Jahre hatten die Zöpfe, die ihm bis zur Brust reichten, des größten Teils ihrer Farbe beraubt.
    Auf halbem Weg nach unten wurde sein Rumpf zu dem einer Schlange. Dick wie die Taille eines Mannes, war der lange, sich windende Schwanz von braunen Hornschuppen überzogen, die bei jeder seiner Bewegungen über den Steinboden scharrten.
    Er drehte sich, um das Gesicht den Statuetten zuzuwenden, und verneigte sich so tief, dass seine Nase den Boden berührte. Dann wandte er sich der Menge zu und verneigte sich ein zweites Mal. »Seid gegrüßt, meine Kinder!«
    Seine Worte waren klar und füllten die Kirche mühelos. Faziya hatte Talia einmal erzählt, dass es für Uf’uyan eine Frage des Stolzes war, so gut wie jeder Mensch zu sprechen. Er hob die Stimme und leitete die Gemeinde in eine Hymne zum Lobe des Pfads der Erlösung und der Verheißung der Wiedergeburt, wie sie von den Peri selbst weitergegeben worden war.
    Talia formte die Worte mit den Lippen mit, weigerte sich aber, ihre Stimme dem Chor hinzuzufügen. Ungeduldig wartete sie, während Uf’uyan sie durch mehrere feierliche Gebete führte.
    Danielles Hand berührte sie an der Schulter. »Versuch, dich zu entspannen! Du siehst aus, als wolltest du jeden Moment gegen die ganze Kirche kämpfen!«
    »Faziya ist hierhergekommen, um die Wahrheit über Zestan und die Jagd zu erfahren«, raunte Talia mit geballten Fäusten. »Uf’uyan muss wissen, wo -«
    »Wie werden Zestan und auch deine Freundin finden«, versprach Danielle.
    Talia war nicht als Einzige so unruhig. Überall um sie herum fingen die Leute an, sich zu bewegen und zu

Weitere Kostenlose Bücher