Rotkäppchens Rache
haben.«
Talia zog einen Dolch; für Schwerter war es in den Kanälen zu eng. Das Klatschen von Wasser zeigte an, wo sich weiter vorn zwei Tunnel vereinigten. Sie starrte in die Dunkelheit und suchte nach den verräterischen goldenen Reflexionen von Goblinaugen. Das Licht aus Schnees Halsband würde ihr zwar helfen, sie zu entdecken, aber es musste auch wie ein Signalfeuer auf die Goblins wirken.
»Können wir nicht mit ihnen reden?«, fragte Danielle. »Schließlich sind wir es ja, die in ihr Zuhause eindringen.«
»Exakt«, erwiderte Talia. »Sie glauben, alles in den Abwasserkanälen gehört ihnen - einschließlich uns. Zum Glück sind es Feiglinge. Ein einzelnes Ziel werden sie angreifen, aber bei einer bewaffneten Gruppe werden sie das Weite suchen. Wahrscheinlich.«
Roudette hielt den Hammer schlagbereit, als ein Tierschrei durch den Tunnel hallte. Die Schreie von Kloakengoblins erinnerten Talia immer ein bisschen an rollige Katzen. Weit hinter ihnen antwortete ein zweiter Schrei.
»Dieser Ort wird ja immer besser!«, stellte Schnee fest.
Talia hastete weiter, aber bis sie die andere Röhre erreichte, war der Goblin verschwunden. Verklingendes Platschen begleitete seinen Rückzug. Talia ging weiter, bis sie zu einer quadratischen Säule aus Sonnenlicht kam, die ein weiteres Gitter anzeigte. Sie horchte einen Moment lang in dem Versuch, sich zu vergewissern, dass sie nicht die Orientierung verloren hatte. Dunkle Flecken markierten die Wände, willkürliche Striche und Schmierereien ohne Bedeutung für irgendwen außer den Goblins, die sie gezeichnet hatten.
»Immerhin laufen sie weg«, bemerkte Danielle.
»Vielleicht.« Kloakengoblins konnten sich lautlos durch den Schmodder bewegen. Der einzige Grund, so einen Radau zu machen, war, ihre Beute hinter ihnen herzulocken. »Oder aber sie laufen Verstärkung holen.«
Die Villa war nur ein kurzes Stück von ihrem Einstiegsloch entfernt, aber in der Beengtheit des Tunnelsystems gingen die Bewegungen langsamer vonstatten. Die Steine der Simse waren rutschig und gelegentlich auch locker. Einer gab unter Talias Fuß nach und klatschte ins Wasser. Ohne ihre Gaben hätte sie sich dabei leicht einen Knöchel brechen können.
»Bleibt in der Mitte des Tunnels!«, sagte Talia, während sie selbst spritzend weiterging. Sie traute es den Goblins durchaus zu, hier und da absichtlich Steine als Fallen gelockert zu haben. An einer erneuten Einmündung blieb sie stehen, zögerte jedoch nur einen Moment lang, bevor sie sich für die stromaufwärts gerichtete Röhre entschied. Das Wasser floss hier stärker, was bedeutete, dass sie sich dem privaten Reservoir der Raikh näherten.
Roudettes Hammer scharrte über die Wand, als sie sich umdrehte. »Von hinten kommen noch mehr auf uns zu. Dieser Ort ist übler als das Labyrinth der Elfenkönigin!«
Das Wasser war jetzt tiefer, aber auch sauberer, und der Gestank nach menschlichen Abfällen weniger überwältigend. Immer wieder hallten die Schreie der Kloakengoblins durch die Tunnels und wurden von den Wänden um sie herum zurückgeworfen. Das Schlimme daran war, dass damit die leiseren Geräusche etwaiger weiterer Goblins, die sich durch die Kanäle an die Gruppe heranschlichen, übertönt wurden.
»Sollen wir sie daran erinnern, dass wir bewaffnet sind?«, fragte Schnee. »Jemand hat mir mal erzählt, das würde reichen, um sie das Weite suchen zu lassen.«
»Es sind mehr, als ich in Erinnerung hatte.« Talia spähte um eine weitere Tunnelbiegung. »Sie waren auch noch nie so dreist.«
Roudette drehte sich um und brüllte. Das Geräusch kam so überraschend, dass Talia ihr beinah das Messer in den Hals gestoßen hätte, aber es genügte, um die Goblins dermaßen zu verängstigen, dass sie verstummten.
»Mach das nicht noch mal!« Talia drückte sich an die Wand. Weiter vorn hörte sie ein schwaches Tropfgeräusch, fast wie Regen. »Der ganze Sinn, die Kanalisation zu nehmen, lag darin, sich hineinzuschleichen. Die Goblins sind schon schlimm genug, aber ihre Schreie dürften nicht viel Aufmerksamkeit erregen: Sie schreien jedes Mal und schlagen Krach, wenn sie etwas Größeres als eine Ratte finden. Aber wenn jemand dich hört, dann werden wir geradewegs in eine Gruppe von Rajils Wachen hineinklettern!«
Sie bog nach rechts ab und die Strömung des Wassers wurde so stark, dass der meiste Dreck aus ihren Sandalen gespült wurde. Lichtstrahlen von oben zeigten ein weiteres Kanalgitter an, gestaltet in Form einer Sonne mit
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