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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Gedenkfeier verdient und ich war nicht sonderlich vorzeigbar. Ich habe stattdessen von Schr ø der aus an dich gedacht. Um acht heute Abend habe ich mich ins Auto gesetzt und bin zum Holmenkollveien hochgefahren. Das war eine blöde Idee. Rakel hatte Besuch von einem Kerl, demselben wie neulich. Er stellte sich als irgendjemand im Außenministerium vor und behauptete, dienstlich da zu sein. Ich glaube, er hieß Brandhaug. Rakel schien nicht gerade beglückt über seinen Besuch zu sein, aber vielleicht war das bloß mein Eindruck. Ich hab schnell wieder den Rückzug angetreten, ehe es zu peinlich wurde. Rakel bestand darauf, dass ich ein Taxi nehme. Doch wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich den Escort unten am Straßenrand; ich kann ihren Rat also wohl kaum befolgt haben.
    Es läuft, wie du wohl merkst, etwas chaotisch im Moment. Aber ich war immerhin in der Zoohandlung und habe Vogelfutter gekauft. Sie haben mir da ›Trill‹ empfohlen. Ich habe es genommen.«
     
    Jens Bjelkes Gate, 15. März 2000
     
    56 »Hei, hier spricht der Anrufbeantworter von Ellen und Helge. Hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    »Ich war heute mal im Ryktet. Erinnert an Schrøder’s. Die mustern dich jedenfalls nicht von Kopf bis Fuß, wenn du ein Frühstückspils bestellst. Ich habe mich zu einem Alten an den Tisch gesetzt und hab mit etwas Mühe sogar ein Gespräch in Gang gebracht. Ich fragte ihn, was er gegen Even Juul hätte. Er sah mich daraufhin lange an. Es war eindeutig, dass er mich nicht vom letzten Mal wiedererkannte. Doch nachdem ich ihn auf ein Bier eingeladen hatte, erzählte er mir die Geschichte. Der Kerl ist Frontkämpfer gewesen, das wusste ich ja bereits, und er kannte die Frau von Juul, Signe, aus der Zeit, als sie noch Krankenschwester an der Ostfront war. Sie hattesich freiwillig gemeldet, weil sie die Verlobte eines norwegischen Soldaten im Regiment Norge war. Und nachdem sie 1945 wegen Landesverrats verurteilt worden war, hatte Juul ein Auge auf sie geworfen. Sie wurde zu zwei Jahren verurteilt, doch Juuls Vater, der eine hohe Position in der Arbeiterpartei hatte, sorgte dafür, dass sie bereits nach wenigen Monaten freikam. Als ich den Alten fragte, warum ihn das so aufrege, murmelte er bloß, dass Juul nicht so heilig sei, wie er es immer vorgebe. Genau das Wort hat er benutzt – heilig. Er sagte, Juul sei genau wie die anderen Historiker – er schreibe die Mythen über Norwegen während des Krieges, wie sie die Siegermächte sehen wollten. Der Mann erinnerte sich nicht an den Namen von Signes erstem Verlobten; er wusste nur, dass er für die anderen im Regiment eine Art Held gewesen war.
    Anschließend ging ich zur Arbeit. Kurt Meirik war da und sah mich an. Er sagte nichts. Ich rief Bjarne Møller an, und der sagte mir, dass die Liste, um die ich gebeten hatte, dreiundvierzig Namen umfasse. Sind Männer ohne Haare gewalttätiger, was meinst du? Møller hat jedenfalls einen Beamten damit beauftragt, die Alibis der Betreffenden zu checken, um die Anzahl ein bisschen zu reduzieren. Dem vorläufigen Bericht entnehme ich, dass dich Tom Waaler nach Hause gebracht hat und dass du um 22 Uhr 15 in ruhiger Verfassung aus seinem Auto gestiegen bist. Er sagte auch, ihr hättet über alltägliche Dinge gesprochen. Aber als du gemäß Telenor um 22 Uhr 16 meinen Anrufbeantworter angerufen hast, mit anderen Worten also direkt nachdem du die Tür geschlossen hattest, warst du ganz aufgeregt, weil du auf die Spur von irgendetwas gekommen bist. Ich finde das merkwürdig. Bjarne Møller sieht darin nichts Besonderes. Vielleicht liegt das wieder nur an mir.
    Lass bald von dir hören, Ellen.«
     
    Jens Bjelkes Gate, 16. März 2000
     
    57 »Hei, hier spricht der Anrufbeantworter von Ellen und Helge. Hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    »Ich bin heute nicht zur Arbeit gegangen. Draußen sind es minus zwölf Grad, in der Wohnung vielleicht ein paar mehr. Das Telefonklingelte den ganzen Tag, und als ich dann endlich abnahm, war es Doktor Aune. Aune ist ein guter Psychologe; er tut jedenfalls nicht so, als sei er weniger verwirrt über das, was in unseren Köpfen vorgeht, als jeder andere auch. Aunes oft aufgestellte Behauptung, dass der seelische Riss bei jedem Alkoholiker da beginnt, wo der letzte Suff endet, ist eine gute Warnung. Es muss aber nicht unbedingt stimmen. In Anbetracht dessen, was in Bangkok geschehen ist, war er überrascht darüber, dass es mir dieses Mal relativ gut ging. Alles ist relativ. Aune redete unter

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