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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gedacht, dass Bergen eine schöne Stadt ist. Für die Kinder und so. Du weißt schon.« »Aber du wärst noch immer Polizist, oder?«
    »Natürlich.«
    »Weil solche wie wir zu nichts anderem taugen, oder?«
    Møller zuckte mit den Schultern. »Mag sein.«
    »Aber Ellen taugte zu mehr. Ich hab mir oft gedacht, welch gewaltige Vergeudung menschlicher Ressourcen es war, dass sie bei der Polizei arbeitete. Und dass es ihr Job war, böse Buben und Mädchen zu fangen. Das ist doch was für solche wie uns, Møller, das war doch nichts für sie. Verstehst du, was ich meine?«
    Møller trat ans Fenster und blieb neben Harry stehen.
    »Es wird besser, wenn erst der Mai kommt«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte Harry.
    Die Glocke der Kirche in Oslo-Grønland schlug zweimal.
    »Mal sehen, ob ich Halvorsen damit betrauen kann«, sagte Møller.
     
    Außenministerium, 27. April 2000
     
    60 Benn Brandhaugs langjährige Erfahrung mit Frauen hatte ihn gelehrt, dass es vier Gründe dafür geben konnte, wenn er eine Frau nicht einfach nur haben wollte, sondern haben musste: weil sie schöner war als alle anderen, weil sie ihn sexuell besser zufrieden stellte als alle anderen, weil er seine Männlichkeit bei ihr stärker spürte als bei allen anderen oder, und das war am wichtigsten, weil sie nicht ihn, sondern jemand anderen wollte.
    Brandhaug war sich bewusst geworden, dass Rakel Fauke eine solche Frau war.
    Er hatte sie im Januar einmal unter dem Vorwand angerufen, er benötige eine Einschätzung des neuen Militärattachés in der russischen Botschaft in Oslo. Sie hatte gesagt, sie könne ihm eine Nachricht schicken, doch er hatte darauf bestanden, das mündlich abzuwickeln. Da es Freitagnachmittag war, hatte er vorgeschlagen, sich im Continental zu treffen und das Ganze bei einem Glas Bier an der Bar zu besprechen. So hatte er herausgefunden, dass sie allein erziehende Mutter war. Sie hatte die Einladung nämlich abgelehnt und als Entschuldigung vorgebracht, sie müsse ihren Sohn vom Kindergarten abholen, worauf er munter gefragt hatte:
    »Ich kann doch wohl davon ausgehen, dass eine Frau Ihrer Generation einen Mann hat, der sich um so etwas kümmert.«
    Obgleich sie es nicht direkt gesagt hatte, war der Antwort zu entnehmen gewesen, dass es einen solchen Mann nicht gab.
    Als er auflegte, war er trotz allem mit dem Resultat zufrieden, wenn er auch ein wenig verärgert über sich war, von ihrer Generation gesprochen und damit den Altersunterschied betont zu haben.
    Als Nächstes rief er Kurt Meirik an, um ihn so diskret wie möglich über Frau Fauke auszufragen. Er war nicht diskret genug, dass Meirik nicht doch Lunte roch, aber das bekümmerte ihn wenig.
    Meirik war wie gewöhnlich gut informiert. Rakel hatte über zwei Jahre in Brandhaugs eigener Abteilung als Dolmetscherin in der norwegischen Botschaft in Moskau gearbeitet. Rakel hatte einen Russen geheiratet, einen jungen Professor der Gentechnik, der sie im Sturm genommen und seine Theorien in die Praxis umgesetzt und sie geschwängert hatte. Dass der Professor selbst mit einem Gen für latenten Alkoholismus und violente Argumentationsformen geboren worden war, hatte dazu beigetragen, dass das Glück nur von kurzer Dauer war. Rakel Fauke hatte nicht den Fehler ihrer zahllosen Mitschwestern gemacht und gewartet, hatte nicht versucht zu vergeben oder zu verstehen, sondern hatte unmittelbar nach dem ersten Schlag mit Oleg auf dem Arm die Wohnung verlassen. Ihr Ehemann und seine ziemlich einflussreiche Familie hatten das Sorgerecht für Oleg beansprucht, und ohne ihre diplomatische Immunität wäre es ihr wohl kaum gelungen, gemeinsam mit ihrem Sohn Russland zu verlassen.
    Als Meirik erwähnte, dieser Ehemann hätte sie deswegen angezeigt, erinnerte sich Brandhaug an die Vorladung eines russischen Gerichts, die über seinen Schreibtisch gegangen war. Aber sie war damals ja nur Dolmetscherin gewesen, und er hatte die ganze Sache delegiert, ohne sich ihren Namen zu merken. Als Meirik hinzufügte, das Verfahren gehe noch immer zwischen russischen und norwegischen Behörden hin und her, beendete Brandhaug rasch das Gespräch und wählte die Nummer der Rechtsabteilung.
    Als er Rakel das nächste Mal anrief, lud er sie ohne irgendwelche Vorwände zum Essen ein. Nachdem auch dies freundlich, aber bestimmt abgelehnt worden war, diktierte er einen Brief an sie, unterschrieben von der Rechtsabteilung des Außenministeriums. Der Brief sagte mit wenigen Worten, dass das Außenministerium in

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