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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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schmalen, zusammengepressten Lippen und schüttelte den Kopf. Sicher so ein asketischer Typ, der jede Woche fünfzig Kilometer joggt, dachte Brandhaug. Alles an diesem Mann war dünn – der Körper, das Gesicht, die Haare. Er hatte den Blick bemerkt, den Tor Erik während der Rede mit seiner Frau gewechselt hatte, als wolle er sie an einen Insiderwitz erinnern. Das musste nicht unbedingt etwas mit der Rede zu tun gehabt haben.
    »Vernünftig«, sagte Brandhaug säuerlich. »Morgen ist auch noch ein Tag, nicht wahr?«
    Elsa stand plötzlich in der Wohnzimmertür.
    »Ein Anruf für dich, Bernt.«
    »Wir haben Gäste, Elsa.«
    »Vom Dagbladet.«
    »Ich hebe im Arbeitszimmer ab.«
    Es war die Nachrichtenredaktion, eine Frau, deren Namen er nicht kannte. Sie hörte sich jung an, und er versuchte, sie sich vorzustellen. Es ging um die gestrige Demonstration gegen Jörg Haider vor der österreichischen Botschaft in der Thomas Heftyes Gate und gegen die rechtsextremen Freiheitlichen, die in die Regierung gewählt worden waren. Sie brauchte nur ein paar Kommentare für die morgige Ausgabe.
    »Herr Brandhaug, halten Sie es für angebracht, jetzt über unsere diplomatischen Verbindungen zu Österreich nachzudenken?«
    Er schloss die Augen. Sie fischten, wie sie es manchmal taten; doch sowohl die Presseleute als auch er wussten, dass sie keinen Fisch an den Haken bekommen würden, dazu war er zu erfahren. Er spürte, dass er getrunken hatte, sein Kopf war schwer, und wenn er die Augen schloss, tanzte es im Dunkel hinter seinen Lidern, aber das war kein Problem.
    »Das ist eine politische Entscheidung, die nicht im Außenministerium gefällt wird«, sagte er.
    Eine Pause entstand. Er mochte ihre Stimme. Sie war blond, das konnte er spüren.
    »Aber wenn Sie mit Ihrer reichen internationalen Erfahrung vorhersagen sollten, was die norwegische Regierung tun wird?«
    Er wusste, was er antworten sollte, es war so einfach:
    Ich mache über so etwas keine Voraussagen.
    Nicht mehr und nicht weniger. Es war eigentlich erstaunlich, aber man brauchte gar nicht lange in einer Stellung wie der seinen zu sein, um ganz einfach das Gefühl zu haben, man habe auf all diese Fragen schon einmal geantwortet. Junge Journalisten glaubten in der Regel, sie seien die Ersten, die genau diese Frage stellten, nachdem sie die ganze Nacht darüber gegrübelt hatten. Und alle waren sie beeindruckt, dass er nachzudenken schien, ehe er eine Antwort formulierte, die er vermutlich schon ein Dutzend Mal gegeben hatte.
    Ich mache über so etwas keine Voraussagen.
    Er war überrascht, dass er die Worte noch nicht gesagt hatte. Doch es lag etwas in ihrer Stimme, das ihm Lust machte, ein wenig entgegenkommender zu sein. Mit Ihrer reichen Erfahrung, hatte sie gesagt. Am liebsten hätte er sie gefragt, ob sie selbst auf die Idee gekommen sei, gerade ihn, Bernt Brandhaug, anzurufen.
    »Als ranghöchster Beamter des Außenministeriums verhalte ich mich so, dass wir normale diplomatische Beziehungen zu Österreich pflegen können«, sagte er. »Natürlich nehmen wir wahr, dass auch andere Länder in der Welt auf das reagieren, was zurzeit in Österreich geschieht. Doch die Tatsache, dass wir diplomatische Beziehungen zu einem Land unterhalten, heißt ja nicht, dass wir alles für gut halten, was dort geschieht.«
    »Nein, wir haben ja auch diverse diplomatische Beziehungen zu Militärdiktaturen«, antwortete die Stimme am anderen Ende. »Warum also reagieren wir gerade auf diese Geschehnisse so heftig?«
    »Das hat wohl mit der jüngeren Geschichte Österreichs zu tun.« Er sollte jetzt nichts mehr sagen. Sollte den Mund halten. »Die Verbindungen zum Nationalsozialismus bestehen nun mal. Die meisten Historiker sind sich einig, dass Österreich während des Zweiten Weltkriegs in Wahrheit ein Alliierter von Hitler-Deutschland war.«
    »Wurde nicht auch Österreich okkupiert, wie Norwegen?«
    Es wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung davon hatte, was heutzutage in den Schulen über den Zweiten Weltkrieg gelehrt wurde. Wirklich keine.
    »Wie war doch gleich Ihr Name?«, fragte er. Vielleicht hatte er doch ein Glas zu viel getrunken. Sie sagte ihm ihren Namen.
    »Nun ja, Natascha, darf ich Ihnen, ehe wir weiterreden, kurz etwas sagen? Haben Sie vom Anschluss gehört? Er bedeutete, dass Österreich nicht wie andere Länder okkupiert wurde. Die Deutschen marschierten im März 1938 einfach ein, es gab fast keinen Widerstand und so blieb es bis Kriegsende.«
    »Also fast wie in

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