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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Nacht. Dann war es vorüber, und er roch wieder die nasse Erde unter sich und wusste, dass er noch am Leben war.
    Er blieb noch eine Weile liegen, um wieder zu Atem zu kommen. Der Schweiß klebte das Hemd an seinen Körper. Dann drehte er sich auf den Bauch und sah wieder zum Haus hinunter.
    Es war ein großes schwarzes Blockhaus. Er lag dort seit dem Vormittag und wusste, dass nur die Frau zu Hause war. Trotzdem brannte hinter allen Fenstern Licht, sowohl im Erdgeschoss als auch in der ersten Etage. Er hatte gesehen, wie sie die Runde gemacht und alle Lampen angeschaltet hatte, kaum dass es zu dämmern begann, und folgerte daraus, dass sie Angst vor der Dunkelheit hatte.
    Auch er hatte Angst. Nicht vor der Dunkelheit, davor hatte er sich nie gefürchtet. Er hatte Angst vor der immer schneller vergehenden Zeit. Und den Schmerzen. Sie waren ein neues Phänomen, das er noch nicht zu kontrollieren gelernt hatte. Er wusste nicht einmal, ob ihm das je gelingen würde. Und die Zeit? Er versuchte, nicht an die Zellen zu denken, die sich teilten und teilten und teilten.
    Ein bleicher Mond zeigte sich am Himmel. Er sah auf die Uhr. Halb acht. Bald würde es zu dunkel sein, so dass er bis morgen warten musste. Das bedeutete dann, dass er die ganze Nacht in diesem Unterschlupf zubringen musste. Er betrachtete die Konstruktion, die er gebaut hatte. Sie bestand aus zwei y-förmigen Zweigen, die er so in die Erde gesteckt hatte, dass sie etwa einen halben Meter aus dem Boden herausragten. Zwischen diesen hatte er einen abgeschnittenen Fichtenzweig befestigt. Dann hatte er drei lange Zweige geschnitten, die vom Boden aus mit dem Fichtenzweig verbunden waren. Diese wiederum hatte er mit einer dicken Lage Tannenzweige abgedeckt. So hatte er eine Art Dach, das ihn gegen Regen schützte, ein wenig Wärme gab und ihn tarnte, falls ein Wanderer entgegen aller Erwartungen vom Weg abkommen sollte. Es hatte eine halbe Stunde gedauert, diesen Windschutz zu bauen.
    Das Risiko, vom Weg aus oder aus einem der Nachbarhäuser gesehen zu werden, schätzte er als minimal ein. Man musste schon einen ungewöhnlich scharfen Blick haben, um diesen Unterschlupf im dichten Fichtenwald aus dreihundert Metern Entfernung zu erkennen. Zur Sicherheit hatte er darüber hinaus fast die ganze Öffnungmit Zweigen verstellt und zudem noch den Gewehrlauf mit einem Lappen umwickelt, damit die tief stehende Nachmittagssonne nicht auf dem Stahl reflektiert werden konnte.
    Noch einmal sah er auf seine Uhr. Wo, zum Teufel, blieb er?
     
    Bernt Brandhaug drehte das Glas in seiner Hand und sah erneut auf seine Uhr.
    Wo, zum Teufel, blieb sie?
    Sie hatten halb acht ausgemacht, doch jetzt war es bald Viertel vor acht. Er kippte den Rest seines Drinks hinunter und goss sich aus der Whiskeyflasche nach, die er sich hatte heraufbringen lassen. Jameson. Das einzig Gute, was jemals aus Irland gekommen war. Er gönnte sich noch einen. Es war ein unerfreulicher Tag gewesen. Die Schlagzeile im Dagbladet hatte dazu geführt, dass sein Telefon den ganzen Tag geklingelt hatte. Manch einer gab ihm zwar Recht, doch schließlich hatte er die Nachrichtenredaktion des Dagbladet angerufen und klar zum Ausdruck gebracht, dass er vollkommen falsch zitiert worden sei. Es hatte gereicht, Insiderinformationen über die großen Reden des Außenministers bei der letzten EWR-Konferenz in Aussicht zu stellen. Der Redakteur hatte sich Bedenkzeit erbeten. Nach einer Stunde hatte er zurückgerufen. Es stellte sich heraus, dass diese Natascha ihren Job erst kurz hatte und sie darüber hinaus eingeräumt hatte, sie habe Brandhaug möglicherweise missverstanden. Sie würden nicht dementieren, die Sache aber auch nicht weiterverfolgen. Seine Haut war gerettet.
    Brandhaug nahm einen großen Schluck, rollte den Whiskey im Mund herum und spürte das raue und doch weiche Aroma ganz hinten in seiner Nase. Er sah sich um. Wie viele Nächte hatte er hier zugebracht? Wie oft war er in diesem etwas zu großen King-Size-Bett mit Kopfschmerzen von zu vielen Drinks aufgewacht, wie oft hatte er die Frau an seiner Seite, so sie denn noch da war, gebeten, mit dem Fahrstuhl in den Frühstücksraum in der zweiten Etage zu fahren und von dort die Treppe zur Rezeption zu nehmen, damit es so aussah, als käme sie von einer Frühstücksbesprechung und nicht aus einem der Gästezimmer? Nur so zur Sicherheit.
    Er goss sich noch einen Whiskey ein.
    Mit Rakel würde das anders sein. Sie würde er nicht in den Frühstückssaal

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