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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Angst. Signe Juul hatte vor etwas Angst.
     
    Brandhaugs Haus, Nordberg, 9. Mai 2000
     
    70 Bernt Brandhaug klopfte mit dem Messer leicht gegen sein Kristallglas, schob den Stuhl zurück und hielt sich die Serviette vor den Mund, während er sich leicht räusperte. Ein winziges Lächeln lag auf seinen Lippen, als amüsiereer sich bereits jetzt über die Pointe der Rede, die er für seine Gäste halten wollte: Polizeipräsidentin Størksen und deren Mann sowie Kurt Meirik nebst Frau.
    »Liebe Freunde und Kollegen.«
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie seine Frau den anderen steif zulächelte, als wollte sie sagen: Tut mir Leid, dass wir uns das anhören müssen, aber das liegt außerhalb meines Kontrollbereichs.
    An diesem Abend sprach Brandhaug über Freundschaft und Kollegialität. Über die Bedeutung der Loyalität und die Notwendigkeit, die guten Kräfte zu bündeln, um sich gegen Mittelmäßigkeit, Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz zu verteidigen, die in jeder Demokratie auf Führungsebenen anzutreffen seien. Natürlich dürfe man nicht erwarten, dass auf politischem Wege gewählte Hausfrauen und Bauern die Komplexität der Fachgebiete verstünden, die sie zu verwalten hatten.
    »Die Demokratie ist ihre eigene Belohnung«, sagte Brandhaug, eine Formulierung, die er gestohlen und sich selbst zu eigen gemacht hatte. »Doch das heißt nicht, dass die Demokratie nicht auch Kosten erzeugt. Wenn wir Metallarbeiter zu Ministerpräsidenten machen …«
    Er vergewisserte sich in regelmäßigen Abständen, dass die Polizeipräsidentin auch zuhörte, und machte ein paar Witze über den Demokratisierungsprozess in einigen früheren afrikanischen Kolonien, in denen er selbst Botschafter gewesen war. Doch die Rede, die er schon mehrfach bei anderen Anlässen gehalten hatte, riss ihn heute nicht recht mit. Seine Gedanken waren, wie beinahe immer in den letzten Wochen, ganz woanders: bei Rakel Fauke.
    Sie war zur Besessenheit geworden. In der letzten Zeit hatte er sogar daran gedacht, dass er vielleicht versuchen sollte, sie zu vergessen, dass er tatsächlich im Begriff war, zu weit zu gehen, um sie zu bekommen.
    Er dachte an die Manöver der letzten Tage. Wäre Kurt Meirik nicht der Chef des PÜD, hätte das alles nicht funktioniert. Als Erstes hatte er diesen Harry Hole von der Bildfläche verschwinden lassen müssen, fort aus der Stadt an einen Ort, wo ihn weder Rakel noch jemand sonst erreichen konnte.
    Brandhaug hatte Kurt angerufen und ihm gesagt, sein Kontaktmann beim Dagbladet habe erzählt, es gebe Gerüchte in Pressekreisen, dass es während des Präsidentenbesuchs im Herbst zu einem Zwischenfallgekommen sei. Sie müssten handeln, ehe es zu spät sei, und Hole irgendwo verstecken, wo ihn die Presse nicht finden könne. Da sei Kurt doch sicher einer Meinung mit ihm, oder?
    Kurt hatte gezögert und zu lamentieren begonnen. Zumindest, bis der schlimmste Aufruhr vorüber sei, hatte Brandhaug gefordert. Brandhaug zweifelte daran, dass Meirik ihm glaubte. Doch das bereitete ihm keine großen Sorgen. Ein paar Tage später hatte ihn Meirik angerufen und berichtet, dass Harry Hole an die Front beordert worden sei, in irgendein gottverlassenes Nest in Schweden. Brandhaug hatte sich buchstäblich die Hände gerieben. Nichts konnte jetzt mehr die Pläne durchkreuzen, die er für sich und Rakel schmiedete.
    »Unsere Demokratie ist wie eine schöne, lächelnde, aber doch etwas naive Tochter. Dass die guten Kräfte der Gesellschaft zusammenhalten, hat nichts mit Überheblichkeit oder Machtgier zu tun. Es ist ganz einfach unsere einzige Garantie, dass unsere Tochter, die Demokratie, nicht vergewaltigt und die Leitung nicht von unerwünschten Kräften übernommen wird. Deshalb ist auch die Loyalität, diese fast vergessene Tugend, für Menschen wie uns nicht nur zu wünschen, sondern absolut notwendig, ja eine Pflicht …«
    Sie hatten sich in die tiefen Lehnsessel im Wohnzimmer gesetzt und Brandhaug reichte das Etui mit seinen kubanischen Zigarren herum. Sie waren ein Geschenk des norwegischen Generalkonsuls in Havanna.
    »An der Innenseite kubanischer Frauenschenkel gerollt«, hatte er Anne Størksens Ehemann zugeraunt und dabei gezwinkert, doch der schien das nicht ganz begriffen zu haben. Dieser Mann wirkte überhaupt ein bisschen steif und kühl, wie war doch gleich sein Name? Ein Doppelname – mein Gott, hatte er ihn etwa vergessen? Tor Erik! Tor Erik war es.
    »Noch einen Cognac, Tor Erik?«
    Tor Erik lächelte mit

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