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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Angst unter Kontrolle. Und entnahm den Hintergrundgeräuschen, dass er sich an einem Ort mit vielen Menschen befand Hier in der Nachbarschaft gab es bloß Wohnhäuser.
    »Du warst so schön in deiner Schwesternuniform, Signe«, sagte die Stimme. »So leuchtend rein und weiß. So weiß wie Olaf Lindvig in seinem weißen Waffenrock, erinnerst du dich an ihn? Du warst so rein, dass ich gar nicht auf die Idee kam, du könntest es übers Herz bringen, uns zu verraten. Ich dachte, du wärst wie Olaf Lindvig. Ich hab gesehen, wie du ihn berührt hast, Signe, seine Haare. Einmal nachts im Mondlicht. Du und er, ihr saht wie Engel aus, wie vom Himmel geschickt. Aber ich habe mich getäuscht. Es gibt übrigens Engel, die nicht vom Himmel geschickt worden sind, wusstest du das, Signe?«
    Sie antwortete nicht. Ihre Gedanken zermarterten ihren Schädel. Etwas von dem, was er gesagt hatte, hatte das in Gang gesetzt. Die Stimme. Sie hörte das jetzt. Er verstellte seine Stimme.
    »Nein«, zwang sie sich zu antworten.
    »Nein? Das solltest du aber. Ich bin so ein Engel.«
    »Daniel ist tot«, sagte sie.
    Es wurde still am anderen Ende. Nur der Atem hauchte gegen die Membran. Dann sprach die Stimme weiter:
    »Ich bin gekommen, um zu richten. Die Lebenden und die Toten.«
    Dann legte er auf.
    Signe schloss die Augen. Sie stand auf und ging ins Schlafzimmer. Hinter zugezogenen Gardinen blieb sie stehen und betrachtete sich selbst im Spiegel. Sie zitterte, als hätte sie hohes Fieber.
     
    Harrys altes Büro, 12. Mai 2000
     
    77 Harry brauchte zwanzig Minuten, um wieder in seinem alten Büro einzuziehen. Die Sachen, die er benutzte, fanden in einer 7-Eleven-Tüte Platz. Als Erstes schnitt er das Bild von Bernt Brandhaug aus dem Dagbladet aus. Dann steckte er es neben den Archivbildern von Ellen, Sverre Olsen und Hallgrim Dale an die Tafel. Vier Stichworte. Er hatte Halvorsen ins Außenministerium geschickt; er sollte Fragen stellen und wenn möglich herausfinden, wer die Frau im Continental gewesen sein konnte. Vier Personen. Vier Leben. Vier Geschichten. Er setzte sich auf seinen kaputten Stuhl und betrachtete sie, doch sie glotzten nur dumpf an ihm vorbei.
    Er rief Søs an. Sie wollte Helge sehr gerne behalten, auf jeden Fall noch ein bisschen. Sie seien so gute Freunde geworden, beteuerte sie. Harry sagte, dass das in Ordnung sei, solange sie daran dächte, ihm Futter zu geben.
    »Das ist eine Sie«, sagte Søs.
    »Ach ja? Woher weißt du das denn?«
    »Henrik und ich haben das überprüft.«
    Er wollte gerade fragen, wie sie das überprüft hätten, als er spürte, dass es ihm eigentlich lieber war, es nicht zu wissen.
    »Hast du mit Vater gesprochen?«
    Das hatte sie. Sie fragte, ob Harry dieses Mädchen wiedersehen würde.
    »Welches Mädchen?«
    »Du hast gesagt, du wärst mit jemandem spazieren gegangen. Die mit dem Kind.«
    »Ach die. Nein, ich glaube nicht.«
    »Wie schade.«
    »Schade? Du hast sie doch nie getroffen, Søs.«
    »Ich finde das schade, weil du in sie verliebt bist.«
    Manchmal sagte Søs Sachen, die Harry einfach die Sprache verschlugen. Sie vereinbarten, an einem der nächsten Tage ins Kino zu gehen. Harry fragte, ob Henrik dann auch mitkommen würde, und See antwortete ihm, dass er natürlich dabei sein würde; so wäre das halt, wenn man einen Geliebten hätte.
    Sie legten auf und Harry blieb nachdenklich sitzen. Rakel und erwaren sich auf dem Flur noch nicht begegnet, doch er wusste, wo ihr Büro war. Er fasste einen Entschluss und stand auf – er musste jetzt mit ihr sprechen, er konnte nicht mehr länger warten.
    Linda lächelte ihn an, als er die Tür des PÜD öffnete.
    »Schon wieder zurück, Süßer?«
    »Ich muss nur kurz zu Rakel.«
    »Kurz oder nicht, Harry, ich hab euch auf dem Abteilungsfest gesehen.«
    Harry spürte zu seiner Irritation, dass er bei ihrem schelmischen Lächeln rote Ohren bekam und dass sein trockenes Lachen nicht ganz so klang, wie es hätte klingen sollen.
    »Aber den Weg kannst du dir sparen, Harry. Rakel ist heute zu Hause. Krank Moment mal, Harry.« Sie nahm das Telefon ab. »PÜD, was kann ich für Sie tun?«
    Harry war auf dem Weg durch die Tür, als Linda ihm nachrief. »Für dich! Nimmst du den Anruf hier entgegen?« Sie reichte ihm den Hörer.
    »Spreche ich mit Harry Hole?« Es war eine Frauenstimme. Sie hörte sich atemlos an. Oder ängstlich.
    »Ja, am Apparat.«
    »Hier ist Signe Juul. Sie müssen mir helfen, Herr Hole. Er wird mich töten.«
    Harry hörte ein

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