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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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abwehrend. »Nur eine Minute.«
    Weber näherte sich mit langen Schritten und offensichtlich verärgert.
    »Was willst du?«, rief er schon aus zwanzig Metern Entfernung. »Wie lange hat er gewartet?«
    »Der Kerl hier oben? Keine Ahnung.«
    »Los komm, Weber. Ein Tipp.«
    »Leitet die Kripo die Ermittlungen oder macht ihr das?« »Sowohl – als auch. Wir haben uns noch nicht richtig koordiniert.«
    »Und du glaubst, du könntest mir einreden, dass das zu euren Gunsten ausgeht?«
    Harry lächelte und nahm eine Zigarette aus seinem Päckchen. »Du liegst doch sonst immer richtig mit deinen Tipps, Weber.« »Lass diese Schmeicheleien, Hole. Wer ist der Junge?« »Halvorsen«, sagte Harry, ehe dieser sich selbst vorstellen konnte.
    »Hören Sie, Halvorsen«, sagte Weber, während er Harry betrachtete, ohne eine gewisse Abscheu zu verbergen. »Rauchen ist eine Schweinerei und der endgültige Beweis dafür, dass ein Mensch nichts anderes im Sinn hat als … Genuss. Der Kerl, der hier war, hat acht Kippen in einer halb vollen Flasche Solo zurückgelassen. Teddy ohne Filter. Diese Teddy-Kerle rauchen nicht nur zwei am Tag, und wenn ihm die Kippen nicht ausgegangen sind, wird er wohl maximal einen Tag hier gewesen sein. Er hat sich die untersten Zweige abgeschnitten, auf die nie Regen fällt. Trotzdem waren Tropfen auf den Tannenzweigen, die das Dach dieses Loches bildeten. Gestern Nachmittag um drei hat es zum letzten Mal geregnet.«
    »Das heißt, er muss etwa von gestern Nachmittag um drei bis heute Morgen um acht hier gewesen sein?«, fragte Halvorsen.
    »Ich glaube, Halvorsen kann es weit bringen«, sagte Weber lakonisch, noch immer den Blick auf Harry gerichtet. »Insbesondere, wenn man bedenkt, was für Konkurrenz er haben wird. Es wird wirklich immer schlimmer und schlimmer. Hast du gesehen, was für Leute sie jetzt an der Polizeischule annehmen? Sogar die Lehrerschulen haben wahre Genies im Vergleich zu dem Müll bei uns.«
    Weber hatte es plötzlich nicht mehr sonderlich eilig und setzte zu einem längeren Vortrag über die düsteren Aussichten der Polizei an.
    »Hat in der Nachbarschaft jemand etwas gesehen?«, erkundigte sich Harry rasch, als Weber Luft holen musste.
    »Vier Leute machen die Runde, aber die meisten kommen wohl erst später von den Befragungen zurück. Sie werden nichts finden.«
    »Warum nicht?«
    »Ich glaube nicht, dass er sich hier unten in der Nachbarschaft gezeigt hat. Wir hatten heute Morgen einen Hund hier, der seine Fußspuren über einen Kilometer weit durch den Wald bis zu einem Wanderweg verfolgt hat. Dort hat er ihn verloren. Ich glaube, er ist den gleichen Weg gekommen und gegangen, über das Netzwerk der Wanderwege zwischen dem Sognsvann und dem Maridalsvann. Er kann seinen Wagen auf gut einem Dutzend Parkplätzen abgestellt haben. Und jeden Tag laufen hier Tausende von Leuten herum, mindestens die Hälfte mit einem Rucksack. Alles klar?«
    »Alles klar.«
    »Und jetzt willst du mich wohl fragen, ob wir Fingerabdrücke finden werden.«
    »Tja …«
    »Na los.«
    »Wie sieht’s mit der Solo-Flasche aus?«
    Weber schüttelte den Kopf.
    »Keine Abdrücke, nichts. Dafür, dass er so lange hier war, hat er verdammt wenig Spuren hinterlassen. Wir suchen noch weiter, aber ich bin ziemlich sicher, dass die Schuhabdrücke und ein paar Stofffasern alles sind, was wir finden werden.«
    »Und die leere Hülse.«
    »Die hat er absichtlich hier liegen lassen. Alles andere ist dafür zu sorgfältig entfernt worden.«
    »Hm. Eine Warnung, vielleicht. Was meinst du?«
    »Was weiß ich? Ich dachte, nur ihr Jungen hättet Grips. Diesen Eindruck wollen sie uns zurzeit doch vermitteln.«
    »Tja. Danke für die Hilfe, Weber.«
    »Und hör mit dem Rauchen auf, Hole.«
    »Unwirscher Kerl«, sagte Halvorsen im Auto auf dem Weg ins Zentrum.
    »Weber kann manchmal recht harsch sein«, stimmte ihm Harry zu. »Aber er versteht seinen Job.«
    Halvorsen trommelte den Takt zu einem lautlosen Lied auf das Armaturenbrett. »Was jetzt?«, fragte er.
    »Zum Continental.«
     
    Als die Kripo im Continental angerufen hatte, war Brandhaugs Zimmer gerade fünfzehn Minuten zuvor gemacht worden. Sie hatten gewischt und das Bettzeug ausgewechselt. Niemand hatte bemerkt, ob Brandhaug Besuch gehabt hatte, lediglich, dass er gegen Mitternacht ausgecheckt hatte.
    Harry stand an der Rezeption und zog an seiner letzten Zigarette, während sich der Empfangschef, der in der letzten Nacht Dienst gehabt hatte, die Finger knetete und

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