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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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benötige einen Dienst.« Der Alte sprach leise.
    »Ach ja?«, sagte Sverre erneut. Doch er klang nicht mehr ganz so herablassend wie noch kurz zuvor. Man konnte ja nie wissen.
    »Eine Waffe«, sagte der Alte.
    »Wie – eine Waffe?«
    »Ich brauche eine. Können Sie mir helfen?«
    »Warum sollte ich?«
    »Werfen Sie einen Blick in die Zeitung. Auf Seite achtundzwanzig.«
    Sverre zog die Zeitung zu sich herüber und behielt den Altenbeim Blättern im Auge. Auf Seite achtundzwanzig stand ein Artikel über Neonazis in Spanien. Von dem alten Scheißpatrioten Even Juul, na, herzlichen Dank. Das große Schwarzweißbild von einem jungen Mami, der ein Gemälde hochhielt, das General Franco zeigte, war zum Teil von einer Tausendernote verdeckt.
    »Falls Sie mir helfen können …«, sagte der Alte.
    Sverre zuckte mit den Schultern.
    »… warten weitere neuntausend.«
    »Ach ja?« Sverre nahm noch einen Schluck und sah sich dann im Lokal um. Das junge Pärchen war gegangen, doch Halle, Gregersen und Kvinset saßen noch immer in der Ecke. Und bald würden die anderen kommen, und es würde unmöglich werden, ein auch nur ansatzweise diskretes Gespräch zu führen. Zehntausend Kronen.
    »Was für eine Waffe?«
    »Ein Gewehr.«
    »Das sollte sich machen lassen.«
    Der Alte schüttelte den Kopf.
    »Ein Märklin-Gewehr.«
    »Märklin?«
    Der Alte nickte.
    »Wie die Modelleisenbahn?«, fragte Sverre.
    Ein Spalt öffnete sich in dem faltigen Gesicht unter dem Hut. Der Alte lächelte wohl.
    »Wenn Sie mir nicht helfen können, dann sagen Sie es gleich. Sie können den Tausender behalten und wir reden nicht mehr über die Sache. Ich werde aufstehen und gehen und wir sehen uns nie mehr wieder.«
    Sverre spürte einen kurzen Adrenalinschub. Das war nicht dieses alltägliche Geschwätz über Äxte, Jagdflinten oder Dynamitstangen, hier ging es um etwas Richtiges. Der Kerl war von der richtigen Sorte.
    Die Tür öffnete sich. Sverre blickte über die Schulter des Alten. Es war keiner der Jungs, bloß der alte Säufer mit dem roten Islandpullover. Er konnte nerven, wenn er ein Bier schnorren wollte, doch ansonsten war der ungefährlich.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte Sverre und griff nach dem Tausender.
    Sverre bekam nicht einmal mit, was geschah; eine Hand schlug wie eine Adlerklaue auf die seine und nagelte sie auf dem Tisch fest.
    »Danach habe ich nicht gefragt.« Die Stimme klang kalt und brüchig wie eine Eisscholle.
    Sverre versuchte, seine Hand freizubekommen, doch es gelang ihm nicht. Jetzt konnte er sich nicht einmal gegen diesen Alten zur Wehr setzen!
    »Ich habe gefragt, ob Sie mir helfen können, und ich will ein Ja oder Nein hören. Ist das klar?«
    Sverre spürte den alten Jähzorn in sich hochschießen, seinen alten Feind und Freund.
    Doch noch konnte er den anderen Gedanken nicht verdrängen: zehntausend Kronen. Es gab einen Mann, der ihm helfen konnte, einen ganz speziellen Mann. Es würde nicht billig werden, doch er hatte das Gefühl, dass der Alte auch mit einer Provision nicht knauserig sein würde.
    »Ich … ich kann Ihnen helfen.«
    »Wann?«
    »In drei Tagen. Hier. Gleicher Treffpunkt.«
    »Unsinn! Sie kriegen so ein Gewehr nicht innerhalb von drei Tagen.« Der Alte ließ ihn los. »Gehen Sie aber zu dem, der Ihnen helfen kann, und der soll dann zu dem gehen, der ihm wiederum weiterhelfen kann. Wir treffen uns hier in drei Tagen, um über Ort und Zeit der Lieferung zu reden.«
    Sverre war imstande einhundertundzwanzig Kilo zu stemmen, wie konnte ihn da dieser alte, magere Kerl …
    »Geben Sie weiter, dass das Gewehr bei Lieferung bar in norwegischen Kronen bezahlt werden wird. Sie erhalten den Rest von ihrem Geld in drei Tagen.«
    »Ach ja? Was, wenn ich nur das Geld …?«
    »Dann komme ich wieder und töte Sie.«
     
    Sverre rieb sich die Handgelenke. Er wollte keine weiteren Details wissen.
    Ein eiskalter Wind fegte über den Gehsteig vor dem Telefonhäuschen am Torggata Bad, als Sverre mit zitternden Fingern die Nummer wählte. Verdammt, wie kalt es war! Zu allem Überfluss hatte er auch noch Löcher in beiden Stiefeln. Der Hörer am anderen Ende der Leitung wurde abgenommen.
    »Ja?«
    Sverre Olsen schluckte. Warum fühlte er sich bei dieser Stimme immer so verflucht unwohl?
    »Ich bin es, Olsen.«
    »Rede.«
    »Es gibt jemanden, der ein Gewehr haben will. Ein Märklin-Gewehr.«
    Keine Antwort.
    »Genau wie die Modelleisenbahn«, fügte Sverre hinzu.
    »Ich weiß, was ein Märklin ist, Olsen.«

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